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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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mit Tasse nebst Untertasse in der einen Hand und der Wärmflasche in der anderen vermochte. Warum sie der Meinung war, daß Paps sie alle verlassen wollte, ahnte kein Mensch. Rose, die in diese rührende Szene hineinplatzte, rief: «Jocelyn, was ist denn nur los?»
    «Wenn du glaubst», sagte Paps mit großer Selbstbeherrschung, «daß ich euch verlasse, um in Amerika mein Glück zu suchen, dann irrst du dich. Ich gehe nur einfach ins Dorf, um mir ein bißchen Tabak zu besorgen.»
    «Ach, weiter nichts?» Rose klang enttäuscht.
    Opa sagte: «Das brauchst du doch nicht. Ich hab dir doch gesagt, du kannst eine Dose von mir bekommen.»
    «Wenn du bis heute abend warten kannst, bring ich dir welchen aus der Stadt mit», sagte Rose.
    Becky, die wieder aufgeregt durch die Halle flatterte, sagte: «Warum ruft ihr nicht den alten Bates an? Der kann euch doch den Tabak zusammen mit den Lebensmitteln schicken.»
    «Ich komme zu spät», sagte Gaylord.
    «Komme schon», sagte Paps. Er schüttelte Tante Marigold ab und verließ das Haus. Was für eine Familie, dachte er. Nur weil ich mal ins Dorf gehen möchte, machen sie im Handumdrehen daraus eine Mischung zwischen einer Parlamentsdebatte und einer Abschiedsvorstellung der Großen Oper. Wütend stapfte er mit großen Schritten weiter.
    Gaylord versuchte mitzuhalten. Jetzt fühlte er sich sicher. Was für ein glücklicher Zufall, daß Paps heute morgen ins Dorf wollte. Aber der Morgen beunruhigte Gaylord eigentlich weniger als der Abend.
    Sie kamen zur Schule. Paps besah sich das Getümmel auf dem Schulhof. Kein Wunder, daß Gaylord schon der Gedanke daran Kopfschmerzen bereitete. Paps fand, daß jeder, der sich zwischen diese Meute stürzte, bereits das Georgskreuz verdiene. «Soll ich mitkommen?» fragte er.
    Bei diesem Vorschlag verzog Gaylord entsetzt das Gesicht. «Nein, Paps, vielen Dank.»
    «Ist wirklich alles in Ordnung?»
    «Klar.» Er stapfte durch das Schultor und wurde sofort von dem schreienden, kreischenden, durcheinanderquirlenden Haufen verschlungen. Paps ging nachdenklich fort. Das Altern hatte doch allerlei Gutes für sich. Abgesehen von Weltkriegen, wußte man wenigstens, daß man nicht mehr in einen solchen Nahkampf verwickelt wurde.
    Langsam wanderte er heim. «Nun?» fragte Mummi. «Hast du was rausgefunden?»
    «Nicht das geringste. Aber mich wundert’s nicht, wenn er plötzlich die fleckenlosen Masern bekommt. Keine zehn Pferde hätten mich auf diesen Schulhof gebracht. Nicht ohne Polizeischutz.»
    Mummi sagte: «Das wird’s auch sein. Sie schikanieren ihn.»
    «Ich weiß nicht recht, denn als wir bei der Schule waren, schien er ganz vergnügt zu werden. Er spazierte in dieses Inferno, als mache es ihm direkt Spaß.»
    «Mir wäre es eigentlich lieber gewesen, du hättest ein Wort mit der Lehrerin gesprochen», sagte Mummi.
    «Weswegen denn? Weil er Klosett sagt?»
    «Nein, du Dummer. Sondern weil dein Sohn vor irgend jemand wahnsinnige Angst hat.»
    Paps machte ein Schafsgesicht. May hatte, wie immer, recht. Wahrscheinlich hätte er tatsächlich mit jemand von der Schulleitung sprechen sollen. Wenn er doch nur einer von diesen entschlossenen, patenten Männern wäre, die immer genau wissen, was sie in einem solchen Fall zu tun haben. So einen fabelhaften Kerl verdiente May, und nicht so eine kümmerliche, hilflose Kreatur wie ihn. Er suchte rasch nach einer Antwort, doch ohne großen Erfolg. Er war viel zu sehr daran gewöhnt, seine Worte sorgfältig zu wählen und gute Sätze zu formulieren, als daß er schlagfertig gewesen wäre. Mummi betrachtete ihn zärtlich, wenn auch leicht irritiert, und wartete gespannt, was er jetzt wohl Vorbringen würde. Schließlich kam’s: «Ich hatte die Absicht, ihn heute abend wieder abzuholen und dann mit der Lehrerin zu sprechen. Ich dachte, sie hätte dann mehr Zeit.»
    «Du vergißt anscheinend, daß wir um halb vier nach Ingerby fahren wollen.»
    «Wieso?» Er schien erschrocken. «Ach ja. Die Diskussion in der Gemeindehalle.»
    «Ja, mein Lieber. Die Diskussion in der Gemeindehalle.» Aber zu seiner großen Erleichterung lächelte sie ihn an. «Ist das nicht merkwürdig? Man hält uns beide für intelligent genug, an dieser Diskussion teilzunehmen. Aber wenn’s um unser eigenes Kind geht, sind wir jedesmal ratlos.»
     

13
     
    Gaylord hatte sich in eine Lokomotive verwandelt, war ganz Lärm, Dampf und rasende Kolbenstangen. Im gleichmäßigen Sechzig-Kilometer-Tempo dampfte er laut puffend dahin,

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