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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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habe ihn im November kennengelernt. Übrigens ein Mann, mit dem man sich verdammt gut unterhalten kann. Und deswegen hab ich ihn an Weihnachten eingeladen.»
    «Ich geb’s auf», seufzte Paps. Und Rose dachte nur: diese verdammte Familie. Nicht genug, daß man mir den Abend mit Bobs verdorben hat. Nein, jetzt müssen wir auch noch darüber diskutieren und uns darüber streiten. Es ist nicht zum Aushalten. Ich kann es einfach nicht ertragen, wenn man mein Privatleben so durchhechelt. Aber schon bellte Opa: «Was soll das eigentlich heißen, Rose? Du wolltest doch nicht etwa mit dem Burschen die Nacht verbringen, oder?»
    «Ich konnte nicht nach Hause», sagte Rose. «Das Hotel war besetzt. Was hätte ich denn tun sollen? Mich in den Schnee legen?»
    «Ja, aber ich muß schon sagen: die ganze Nacht mit einem Burschen verbringen...!» Opa sah indigniert aus. «Zu meiner Zeit wäre das unmöglich gewesen, will ich dir sagen.»
    «Was wäre unmöglich gewesen, mein Bester?» fragte Großtante Marigold.
    Audi das noch, dachte Rose. Jetzt mischt sich auch noch Großtante ein. Nun fängt es wieder von vorne an.
    Opa funkelte seine Schwester wütend an. «Die Nacht mit einem Mann verbringen», blaffte er.
    Großtante Marigold schien eher interessiert als schockiert. «Wann ist es denn passiert, Herzchen?»
    «Es ist ja gar nichts passiert», schrie Rose. «Und außerdem hätte er auf dem Sofa geschlafen.»
    «Ach, das sagen sie immer», murmelte Becky.
    «Halt den Mund», fauchte Rose. Sie litt unsagbar. Diese öffentliche Diskussion einer Liebesaffäre hätte die meisten Menschen peinlich berührt. Aber Rose war besonders scheu und sittsam. Opa hatte einmal zu Jocelyn gesagt: «Wenn unsere Rose mitten in der Sahara mal verschwinden müßte, würde sie versuchen, sich hinter einer Sanddüne zu verstecken.» Also war sie jetzt völlig verwirrt und, wie sie selbst zugegeben hätte, stachlig wie ein Igel. «Halt deinen Mund», wiederholte sie.
    «Aber gewiß doch, Schätzchen», sagte Becky friedlich.
    «Und tu nicht so, als hätte ich was zu verbergen», schrie Rose aufgebracht.
    «Ei der Potz», sagte Großtante Marigold.
    Rose fuhr fort: «Hört alle mal zu. Ich wünsche einfach nicht, daß meine Privatangelegenheiten in dieser Form von euch diskutiert werden. Es ist... es ist einfach taktlos.»
    «Hört, hört», sagte Paps.
    Großtante Marigold: «Deine Großtante Maud ist mit einem aus Nikaragua durchgegangen.»
    «Was zum Teufel hat denn das damit zu tun?» fragte Paps.
    «Mexikaner», sagte Opa.
    «Was sagst du, mein Lieber?»
    «Maud ist mit einem Mexikaner durchgebrannt.»
    «Bist du ganz sicher, mein Lieber? Es war jedenfalls ein sehr dunkelhäutiger Herr.»
    «Verdammt noch mal, sind Mexikaner vielleicht hellhäutig?»
    Paps versuchte einzulenken: «Hört mal, Rose ist mit niemandem durchgebrannt. Sie hat ganz einfach einen Freund besucht, weil sie wegen des Schnees nicht nach Hause konnte. Sehr vernünftig, wenn ihr mich fragt.»
    «Danke, Jocelyn», sagte Rose. «Und jetzt geh ich auf mein Zimmer, wenn ihr nichts dagegen habt. Ich habe keinen Appetit aufs Abendessen mehr.» Sie rauschte davon.
    Opa sah verblüfft in die Gegend. Dann fixierte er seinen Sohn. «Was hat sie denn auf einmal? Du hast sie doch nicht etwa geärgert, Jocelyn?»
    «Nein», sagte Paps wütend.
    «Rose ist ein sehr empfindsames Mädchen. Man muß sich genau überlegen, was man zu ihr sagt.»
    Aufgebracht fuchtelte Paps mit der Zeitung herum. «Ich hab sie doch nicht geärgert, Vater.»
    «Schon gut, schon gut. Sei nicht so sauertöpfisch. Ich wollte nur sagen, daß man sie vorsichtig behandeln muß.»
    «Ich bin nicht sauertöpfisch.»
    Großtante Marigold, die inzwischen von den Mexikanern wieder heimgekehrt war, bemerkte: «Rose schien verstimmt zu sein. Hat Jocelyn sie vielleicht gekränkt?»
    Paps schleuderte wütend die Zeitung auf den Boden und marschierte aus dem Zimmer. «Ein lieber Kerl, der Jocelyn», sagte seine Tante anerkennend. «Jetzt geht er sich bestimmt entschuldigen.»
     

12
     
    Ganz England lag wie erstarrt. Wie eh und je hatte der Schnee die gänzlich unvorbereiteten Inselbewohner überrumpelt. Die Autos steckten in Schneewehen. Die Züge saßen auf Nebengeleisen fest. Per Hubschrauber mußten die Ponies im New Forest mit Heu und die von der Nacht überraschten Reisenden mit Nahrung versorgt werden. Zeitung und Fernsehen berichteten von nichts anderem. Ein Volk, das mit Bonaparte, Wilhelm II. und Hitler spielend

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