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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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einmal mit deinen Eltern darüber zu reden. Ich glaube, ich gehe gleich heute abend mit dir nach Hause.»
    «Jawohl, Miss», sagte Gaylord, nicht mehr ganz so erleichtert. Mit Mummi würde er kein leichtes Spiel haben, das wußte er. Andererseits brauchte er Bert nicht zu fürchten, wenn die Lehrerin mitkam. Sie als Begleiterin würde wirken wie eine ganze Schutzstaffel.
    Ohne viele weitere Worte gingen sie los. Und sie trafen auf der Hälfte des Heimwegs, wie nicht anders zu erwarten war, nicht nur Bert, sondern sämtliche Brüder Willies. Die Foggerty-Jungens drückten sich an der einsamsten Stelle des Heimwegs an einem Zaun herum. Als sie Gaylord auftauchen sahen, reckten sie sich und starrten ihn in abwartendem drohendem Schweigen entgegen. Sie ließen Gaylord nicht aus dem Auge. Miss Marston beobachtete sie voll Unbehagen und verlangsamte den Schritt. Aber niemals, sagte sie sich, darf man vor Kindern Angst zeigen. Und so marschierte sie denn tapfer weiter. Gaylord, der sich von ihr beschützt wußte, nahm in seiner Haltung etwas Herausforderndes an. Als sie glücklich vorbei waren, drehte er sich um und machte eine lange Nase.
    «Was für widerliche Jungens», sagte Miss Marston. «Ein Jammer, daß sie nichts Besseres zu tun haben, als herumzulungern und auf Unfug aus zu sein.»
    Die sind nicht auf Unfug aus, dachte Gaylord, sie waren auf mich aus. Es tat ihm schon bitter leid, daß er ihnen so selbstsicher eine lange Nase gedreht hatte.
     
    Opa war auf dem Geflügelhof. Er betrachtete Miss Marston mit Interesse. Gaylord sagte: «Das ist mein Opa.»
    «Guten Tag», sagte Miss Marston. «Ich bin Gaylords Lehrerin. Miss Marston.»
    «Sehr erfreut», sagte Opa. Was war denn nun wieder los, zum Teufel.
    Miss Marston erklärte: «Ich bin herausgekommen, weil ich mit Gaylords Eltern sprechen will. Etwas...»
    «Es tut mir leid, aber die sind zu irgendeiner blöden Veranstaltung in Ingerby. Sie kommen sicher nicht vor elf zurück.»
    «O je. Und ich wollte sie so gern sprechen.» Miss Marston sah unglücklich aus. Unheil schien seine Schatten auf den Geflügelhof zu werfen. Opa, dem man so leicht nichts vormachen konnte, spürte das genau. «Kommen Sie doch bitte herein», sagte er.
    Sie gingen ins Haus. «Also», sagte Opa, «kann ich etwas für Sie tun?»
    Sie sah ihn zweifelnd an. Verlegen spielte sie mit dem Verschluß ihrer Handtasche. «Ich wollte eigentlich mit seinen Eltern...»
    «Wenn Sie sich nun damit abfinden, daß Sie seine Eltern nicht sprechen können, dann nehmen Sie vielleicht mit mir vorlieb?»
    Miss Marston war immer noch mit ihrer Handtasche beschäftigt. Trotz seiner Höflichkeit fühlte sie sich durch den alten Herrn eingeschüchtert. Auch ein Kanonenschlag war so lange harmlos, bis man ein brennendes Streichholz an die Zündschnur hielt. Außerdem hatte sie sich schon überwinden müssen, die Eltern des Jungen aufzusuchen. Wer weiß, was noch alles passieren würde, wenn sie es diesem explosiven alten Herrn erzählte?
    Aber die Entscheidung darüber wurde ihr aus der Hand genommen. Gaylord war sicherlich nicht stolz auf sich. Er schämte sich bitterlich und ehrlich. Aber er besaß einen untrüglichen Sinn für Dramatik und eine unersättliche Neugier darauf, wie Erwachsene in ungewöhnlichen Situationen reagierten. Er sagte laut und deutlich: «Miss Marston hat mich beim Stehlen erwischt.»
    Die Stille im Haus war so drückend wie vor einem Gewitter. «Was hat Miss Marston getan?» fragte Opa.
    Miss Marston sagte traurig: «Ich kam noch einmal in die Klasse zurück. Gaylord war dort ganz allein. Ich sah, wie er aus David Snows Pult etwas nahm und in seine Tasche steckte.»
    Opa fixierte sie unter zusammengezogenen Augenbrauen wie ein Bulle kurz vor dem Angreifen. Aber er sagte milde: «Sicher nur ein Jungensstreich.»
    «Wenn Sie sein Benehmen gesehen hätten, würden Sie das nicht sagen.» Sie saß da und hatte schützend ihren Arm um Gaylord gelegt. Gaylord fühlte, wie sie zitterte.
    «Und was war das für ein Ding?»
    «Ein Briefbeschwerer.»
    «Gehört er der Schule?» fragte er schnell und streckte herausfordernd sein Kinn vor.
    «Nein. Es war eine von diesen hübschen Glaskugeln. David hatte ihn gerade einem andern Jungen abgekauft.»
    Er ließ sie nicht aus dem Auge. «Haben Sie es schon der Schulleitung gemeldet?»
    «Nein. Ich hätte es tun müssen. Aber ich habe das Gefühl, als gäbe es für die Geschichte eine Erklärung, irgend etwas, und deshalb wollte ich mit seinen Eltern

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