Morgenstadt - wie wir morgen leben
1952 zum ersten Mal diskutiert wurden und momentan in Zusammenarbeit mit Japan erneut geplant werden. Mittlerweile reichen die verfügbaren öffentlichen Busse nicht mehr für die Bevölkerung der Stadt aus, so dass Pendler auf Busdächern mitfahren müssen – mit allen damit verbundenen Gefahren. Stundenlange Monsterstaus auf den Ein- und Ausfallstraßen gehören zum Alltagsleben; die Luftverschmutzung ist beängstigend.
Um im Verkehrschaos schneller voranzukommen, haben viele Bewohner von Karatschi ein Motorrad gekauft. Es ist billiger als ein Auto, und die Betriebskosten für das Pendeln zur Arbeit und wieder nach Hause sind nur etwa halb so hoch wie die entsprechenden Fahrten mit dem Bus. 1990 gab es in Karatschi rund 500000 Motorräder, im Jahr 2010 waren es bereits eine Million, und im Jahr 2030 erwartet das „Karachi Transportation and Improvement Project“ der Stadtverwaltung 3,5 Millionen Motorräder, wie der Architekt und Stadtplaner Arif Hasan berichtet. 74 Die Folgen sind fatal im wahrsten Sinne des Wortes: Schwere Unfälle haben zugenommen, ebenso die Verstopfung der Straßen, der Lärm und die Luftverschmutzung.
Da die baldige Realisierung eines verbesserten öffentlichen Nahverkehrs nicht in Sicht ist, empfehlen Hasan und sein Kollege Raza in ihrer Studie, man solle wenigstens „grüne“ – also elektrische – Motorräder herstellen und Ladestationen dafür bauen. Auch besondere Fahrspuren und Parkplätze schlagen sie vor. All dies sind zwar gute Ideen, ob sie in absehbarer Zeit verwirklicht werden, darf man bezweifeln.
Um ein Verkehrschaos wie in Karatschi zu vermeiden, haben sich die Behörden der chinesischen Millionenstadt Hefei entschieden, so schnell wie möglich ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept für ihre Stadt zu entwickeln und zu realisieren. „Dabei stehen vier Aspekte im Vordergrund“, sagt Dr. Matthias Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik FIRST in Berlin. Er und sein Team beteiligensich zusammen mit anderen deutschen Organisationen am Projekt METRASYS 75 , das die Verkehrsplanung und die Luftreinhaltung für Hefei mit Partnern vor Ort studieren und verbessern soll. „Anhand der aktuellen Verkehrsdaten ermitteln wir, wo es Probleme bei der Verkehrsführung gibt und errechnen in Simulationsmodellen, wie die Luftqualität ist. Dabei benutzen wir Messungen vor Ort und verbinden sie mit einem Wettermodell der Stadt und Erkenntnissen zur Luftchemie“, sagt der Kybernetiker und Elektroingenieur.
EINE STADT WIE VIELE ANDERE
Mit 5,7 Millionen Einwohnern ist Hefei – etwa 250 Kilometer westlich von Shanghai gelegen – rund doppelt so groß wie Berlin. Seine Anziehungskraft auf junge Leute vom Land ist groß: Die Stadtverwaltung erwartet, dass im Jahr 2030 schon 10 Millionen Menschen hier leben werden. „Jedes Mal, wenn ich nach einigen Monaten Abwesenheit wieder nach Hefei komme, bin ich erstaunt, wie rasant die Entwicklung in dieser Stadt voranschreitet“, erzählt Schmidt. „Das gilt für Gebäude und Straßen ebenso wie für den Verkehr.“ Die großen Ringstraßen und Tangenten sind zweimal täglich verstopft. Viele Chinesen können sich inzwischen ein Auto leisten, dazu kommen noch unzählige motorisierte Zweiräder, für die meist eigene Fahrspuren vorgehalten werden. „Erfreulich ist, dass viele dieser Motorräder schon elektrisch angetrieben werden“, sagt Schmidt.
Um der Verkehrsflut Herr zu werden, entstehen in Hefei derzeit ampelfreie Ausfallstraßen, die an Kreuzungspunkten über Brücken geleitet werden, und Schnellspuren für Busse. Geplant ist ferner ein intelligentes Nahverkehrssystem, das schnelles Umsteigen zwischen Bussen und U-Bahnen erlaubt, sowie ein Verkehrsleitsystem, das die Emission von Luftschadstoffen minimiert. Gleichzeitig erarbeiteten Studenten der Freien Universität Berlin Konzepte, wie man den historischen Stadtkern von Hefei erhalten und attraktiver gestalten kann. Für Wissenschaftler wie Matthias Schmidt ist dies eine einzigartige Gelegenheit, neue Technologien im großen Maßstab zu erproben und einzusetzen. China mit seiner zentralistischen Planwirtschaft schafft hier ein außergewöhnliches Testfeld für die Forschung. „Wir können in Hefei unsere Entwicklungen in einem anderen Klima, einer anderen Kultur und einer anderen Dimension austesten“, schwärmt Schmidt.
Für den 58-jährigen Forscher brachte die Begegnung mit dieser chinesischen Metropole die Erkenntnis, dass Großstädte in aller
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