Morgenstadt - wie wir morgen leben
in der zunehmend entspannten Atmosphäre der Zentren, der besseren Luft und der geringeren Lärmbelastung. Als erster Schritt dient oft eine Citymaut, die das Fahren in der Stadt kostenpflichtig macht. So verlangt beispielsweise London seit dem 17. Februar 2003 von jedem Auto, das ins Zentrum fährt, eine sogenannte Staugebühr, die Anfang 2012 pro Tag 10 Pfund betrug, was etwa 12 Euro entsprach. Kameras über der Straße erkennen die Fahrzeuge an ihren Nummernschildern, und die Gebühr wird automatisch erhoben. Der Erlös fließt ausschließlich in die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs. Zwar gibt es nach einer anfänglichen Verkehrsberuhigung in London wieder mehr Staus als vorher, die Transportgesellschaft führt dies aber auf vielfältige Baustellen und Verbesserungsmaßnahmen für die Fußgänger zurück und versucht zu trösten: „Die Verstopfung der Straßen wäre ohne Citymaut noch viel schlimmer.“ 84
Eine andere, smartere Art von Mauterhebung schlägt Florian Rothfuss vom IAO vor: „Wenn jedes Auto eine Onboard-Unit hat, mit der es über GPS jederzeit geortet werden kann, wäre es möglich, die Durchfahrt durch einzelne Straßen zu bestimmten Zeiten entsprechend dem aktuell erwarteten Verkehrsaufkommen zu verteuern. So ließe sich der Verkehrsfluss in der Stadt flexibel über den Preis steuern, denn man kann dann zu Hochpreiszeiten entscheiden, ob man lieber zu einer anderen Zeit oder auf einer anderen Route fährt.“
Ein gutes Beispiel dafür, wie Städte den Wandel der Mobilität aktiv gestalten, ist Stuttgart. Die Landeshauptstadt beteiligt sich an einem Carsharing-Projekt mit Elektrofahrzeugen, das vorbildlich für die Morgenstadt sein wird: an dem großangelegten Feldversuch mit der car2go-Initiative der Firma Daimler. Diese stellt nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika in verschiedenen Städten flächendeckend Autos des Typs smart fortwo bereit, die nach einmaliger Registrierung rund um die Uhr und spontan gemietet werden können – ohne Mietvertrag, Grundgebühr und Mindestmietdauer. 85 In der Regel sind das benzinbetriebene Autos, aber in Stuttgart soll ab dem Frühjahr 2012 die größte Elektroflotte der Welt mit 500 Fahrzeugen zur Verfügung stehen, dazu wird die EnBW ebenso viele mit Ökostrom betriebene Ladestationen in der Region installieren.
Carsharing ist nach Meinung vieler Forscher eine der besten Optionen, um den Verkehr in der Morgenstadt zu mindern. Wenn jeder nur dann ein Auto kurzzeitig mietet, wenn er es für eine Fahrt braucht, stehen nicht Hunderttausende von Fahrzeugen fast den ganzen Tag nutzlos auf den Parkplätzen oder in der Garage. „Nutzen statt besitzen – das ist in Bezug auf das Auto einer der großen Trends für die Zukunft des Verkehrs“, glaubt Florian Rothfuss. Zunächst werden vor allem junge Leute das Statussymbol Auto nicht mehr so wichtig nehmen, und je bequemer die Nutzung der Carsharing-Angebotewird, umso mehr Teilnehmer werden sich ihnen anschließen. Rothfuss geht sogar davon aus, dass der Fortschritt in der Technologie in einigen Jahrzehnten dazu führen wird, dass man ein Elektrofahrzeug einfach mit dem Telefon vor die Tür bestellen kann: Es wird autonom seinen Weg finden und nach Gebrauch selbständig eine der vielen induktiven Ladestationen aufsuchen, um seine Batterien wieder zu füllen.
Obwohl sie nicht Eigentümer sind, werden die Bewohner der Morgenstadt pfleglich mit den geliehenen Fahrzeugen umgehen. Schon heute sorgt ein Bewertungssystem, bei dem der Nachmieter den Vormieter benotet, dafür, dass die Autos nicht verdreckt oder beschädigt werden. Wer dreimal unangenehm auffällt, wird aus dem Nutzerkreis ausgeschlossen. „Eine entsprechende Sensorik im Fahrzeug oder im Handy des Mieters könnte künftig auch das Fahrverhalten aufzeichnen“, so Rothfuss. „Damit ließe sich die Reichweite der Fahrzeuge besser vorausplanen, und man könnte den schonenden Umgang mit dem Auto belohnen.“ Es ließen sich außer den Autos noch viele andere Fortbewegungsmittel „sharen“, also teilen: Segways, Fahrräder, Pedelecs oder E-Kickboards.
AUCH TRAMBAHNEN HABEN POTENZIAL
In den Städten der Zukunft werden moderne öffentliche Verkehrsmittel eine große Rolle spielen. Dr. Matthias Klingner, Chef des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI in Dresden, koordiniert die Entwicklung eines Projekts mit Potenzial: die AutoTram.
Hierbei handelt es sich um ein neuartiges Nutzfahrzeug von 30 Metern Länge
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