Morgenstadt - wie wir morgen leben
abgesprengt und Stahlträger verbogen.
Neben dem finanziellen Schaden war diese Nachricht eine Katastrophe für die Autofahrer: Die A 57 ist eine der Pendler-Schlagadern im Ballungsraum Rhein-Ruhr und von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Mit mehr als 100000 Fahrzeugen pro Tag gehört sie zu den höchstbelasteten Autobahnen in Deutschland. 95 Sofort nach dem Unfall bildeten sich zig Kilometer lange Autoschlangen, auch alle Umgehungsstraßen waren überlastet. Und ein Ende der Staus war nicht abzusehen: Der Abschnitt zwischen Köln und Düsseldorf musste für mehrere Wochen komplett gesperrt werden. In dieser Zeit wurde eine Behelfskonstruktion errichtet, die als Fahrbahn dient, bis die neue Autobahnbrücke fertig ist.
FÜR DAS UNERWARTETE GERÜSTET SEIN
Vorfälle wie dieser zeigen exemplarisch, wie anfällig unsere Infrastrukturen für Störungen sind. Seien es nun Brandstifter oder Terroristen, sei es ein Dummer-Jungen-Streich, technisches Versagen, eine Naturkatastrophe oder auch nur ein Versehen oderZufall: Es gibt immer wieder Schwachstellen, deren Versagen große Auswirkungen hat. Die immer engere Verknüpfung aller Systeme sorgt dafür, dass punktuelle Unfälle eine Kaskade von Folgen auslösen können. Unser Leben hängt von vielen technischen Systemen ab: Verkehr, Strom, Wasser, Heizung, vor allem aber Telekommunikation laufen über eng verflochtene Netze ab. Bürger und Wirtschaftsunternehmen sind von deren Funktionieren abhängig. Wird das Netzwerk unterbrochen oder gar teilweise vernichtet, treten enorme Folgeschäden auf: So zerstörten beispielsweise die Überschwemmungen im Elbe-Donau-Becken im August 2002 allein in Österreich rund 250 Straßen- und Eisenbahnbrücken. Der geschätzte wirtschaftliche Gesamtschaden betrug damals über 12 Milliarden Euro.
Metropolen und urbane Ballungsräume sind sicherheitstechnisch besonders angreifbar, und dort sind die Folgen in der Regel ungleich schlimmer als in dünn besiedelten Gebieten. Deshalb suchen sich Terroristen gern Städte für ihre Anschläge aus. So stieg seit 1970 der Anteil der urbanen Terrorziele in Europa stetig an. Während damals 22 Prozent der Anschläge städtische Ziele hatten, sind es mittlerweile mehr als 40 Prozent. Die Anzahl der dabei verletzten oder getöteten Menschen in Europas Städten stieg seit 1970 auf mehr als das Siebenfache. 96 Ähnliches gilt für Naturkatastrophen: Von 1980 bis 2007 stieg die Anzahl der betroffenen Personen weltweit von rund 80 auf über 200 Millionen, und da immer mehr Menschen in Städten leben, leiden auch dort immer mehr darunter. 97
Die Bedrohung der Sicherheit beginnt aber schon im Kleinen. Dies betont beispielsweise der Städtetag in einem Positionspapier. 98 Er bezieht sich auf eine deutlich gewachsene Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger im Bereich der öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Gefahrenabwehr: „Ordnungsstörungen wie Alkohol- und Drogenkonsum mit ihren Folgen sowie Verwahrlosung von Straßen und Plätzen durch wildes Plakatieren, Schmutz und Unrat beeinträchtigen das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger in den Städten erheblich. Hinzu kommt die Gefahr einer Verödung der Innenstädte etwa durch einseitige Entwicklungen wie die Ansiedlung von Spielhallen und ähnlichen Betrieben.“
All dies sind Herausforderungen, denen man begegnen muss, denn die Stadt der Zukunft sollte den Menschen Sicherheit bieten. Um zufrieden und glücklich leben zu können, brauchen Menschen das Urvertrauen, dass sie geschützt werden und dass sie sich schützen können. In der Morgenstadt sollte es zu den Selbstverständlichkeiten zählen, dass man sich ungehindert auf Straßen, Plätzen und in den Parks bewegen kann – auch bei Dunkelheit –, dass Kinder im Freien spielen und Sport treiben und unbehelligt zur Schule gehen können. Bahnhöfe, Flughäfen, Einkaufszentren und öffentliche Gebäude sollen Teil des gesellschaftlichen Lebens sein und nicht wie Festungen bewacht werden.
Es kann also nicht Ziel einer modernen Stadtpolitik sein, die heute schon vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen einfach immer weiter auszubauen. Vielmehr gilt es, Risiken bereits im Vorfeld abzuschätzen und ihr Entstehen zu vermeiden. Da krisenhafte Ereignisse aber dennoch eintreten können, muss man schon vorher fragen, wie man sie mit möglichst geringem Schaden bewältigen kann. Dabei gewinnt das Konzept der Resilienz zunehmend an Bedeutung: Darunter versteht man die Fähigkeit, Störungen
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