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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Wolf
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sieht er mich an. »Soll ich dich zurückbringen?«
    »Nein!«, sage ich vielleicht etwas zu hastig und erröte. »Nein, nein, ein Abenteuer mehr oder weniger, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
    Die weißen Augenbrauen ziehen sich auf der gerunzelten Stirn des Winters zusammen. Wieder scheint er mit seinen Augen in meinen etwas lesen zu wollen. Noch nie in meinem Leben bin ich auf einen so nachdenklichen Menschen gestoßen. Ein Moment der Stille entsteht, in dem er wahrscheinlich überlegt, ob er mich wirklich mitnehmen soll, und ich mich nicht traue etwas zu sagen.
    »Na gut«, sagt er schließlich. »Wollen wir?«
    Ich nicke und seine Wölfin erhebt sich, um an seine Seite zu eilen. Wir gehen eine ganze Weile schweigend nebeneinander her. Nur der Kies unter unseren Füßen und die Bäume über unseren Köpfen stimmen summend eine Sinfonie der Natur an. Alles wirkt friedlich, lebendig und atmend – außer Nevis.
    »Wenn dir zu warm wird, gib Bescheid«, sage ich irgendwann, als ich sehe, dass ein kleiner Schweißfilm auf seiner Stirn entstanden ist.
    Er sieht mich an und bleibt stehen. »Wir müssen den Ausweg aus dem Garten finden.«
    »Ja, aber nicht um jeden Preis?«, gebe ich zurück, doch die Entschlossenheit in den hellblauen Eisaugen duldet keinen Widerspruch. »Warum willst du überhaupt zu dem Baum?«
    »Das sage ich dir, wenn wir da sind.« Seine Stimme klingt kalt und niederschmetternd. Nicht nur ich scheine das bemerkt zu haben, denn er sieht mich entschuldigend an. »Tut mir leid, Maya. Die Hitze steigt mir zu Kopf.«
    Ich nicke und fühle die angenehme Wärme auf meiner Haut. Für mich ist es hier genau perfekt. Nicht zu warm, nicht zu kalt.
    »Wie geht es dir?«, fragt Nevis plötzlich. »Nervt es dich nicht, dass du vor diese endgültige Wahl gestellt wirst?« Wir gehen weiter und ich wundere mich kurz, ob wir an dieser Blumenranke nicht schon einmal vorbeigekommen sind. Was soll ich Nevis antworten? Mittlerweile geht er ein paar Schritte vor mir.
    »Meine Pro- und Contra-Liste schwankt von der einen zur anderen Seite«, sage ich ehrlich. »Ein langes Leben in Gesundheit ist natürlich verlockend. Dafür könnte es sein, dass ich es ohne Liebe verbringen muss, wenn nun keiner von euch mein Herz erobert.« Ich sehe zu seiner Wölfin. »Und meine Mutter und meine beste Freundin Iria fehlen mir so sehr.«
    Die Wölfin sieht mich kurz an, bevor sie weitertrottet.
    »Würdest du gehen, wenn du es könntest?«
    Seine Frage irritiert mich. »Es gibt keinen Weg, wieso sollte ich mir also darüber Gedanken machen?«
    »Würdest du?« Er sieht mich nicht dabei an, geht einfach weiter.
    »Ich bin als eine Auserwählte dieser Generation großgezogen worden. Meine Aufgabe ist es, einen von euch für hundert Jahre glücklich zu machen. Dafür bin ich geboren worden, es ist meine Bestimmung.« Ich bleibe stehen, da Nevis sich plötzlich zu mir umgedreht hat.
    »Du kannst mir nicht sagen, dass dich das glücklich macht.«
    »Nein, das kann ich dir nicht sagen.« Ich kann in seinen Augen sehen, dass meine ehrliche Antwort irgendetwas in ihm in Bewegung setzt. »Ich habe allerdings keine andere Wahl, auch wenn sich ein Teil von mir gegen das Schicksal aufzubäumen versucht. Ich bin hier. Ich werde einen von euch wählen. Dann bleibt mir nur noch zu hoffen, dass es die richtige Wahl war.«
    »Sol oder Aviv werden dich sicherlich glücklich machen«, versucht er mich zu trösten, doch seine Augen wirken wütend. Eine Bitternis liegt in ihnen und in seiner Stimme, die ich nicht zuordnen kann.
    »Im Moment liegt Jesien vorne«, gluckse ich amüsiert und ärgere mich kurz darauf den Mund aufgemacht zu haben. Aus irgendeinem Grund habe ich plötzlich das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen. Vielleicht liegt es an dem nicht deutbaren Gesichtsausdrucks des Winters. »Ich meine, ich kenne euch ja noch nicht richtig. Es geht nur um den ersten Eindruck.«
    »Und der wäre?« Mit einer Hand streichelt er Irias Kopf, die andere hat sich an seiner Seite zur Faust geballt.
    »Sol wirkt ein wenig arrogant. Dazu hat er gerade erst seine Frau verloren und es scheint ihm nichts auszumachen. Das … irritiert mich.«
    Nevis nickt und ich kann an seinem Adamsapfel sehen, dass er schluckt.
    »Aviv ist etwas schüchtern, aber Jesien scheint mir ein guter Freund werden zu können.« Ich sehe Nevis an. »Und du willst mich nicht.«
    »Du suchst aber doch nicht nach Freundschaft«, sagt er etwas entspannter als zuvor.
    »Auf mehr

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