Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
sich einen Moment lang an. Ich kann kaum atmen bei dem Anblick von Nevis´ Lächeln. Ich weiß nicht was, aber irgendetwas stellt es mit mir an.
»Schmeckt dir das Essen?«, richtet Gaia das Wort an mich.
»Doch, Mutter. Vielen Dank«, sage ich hastig und versuche den Blicken von drei Jahreszeiten auszuweichen und den des Winters auf mich zu ziehen, doch er starrt wieder auf seinen Teller, den er nicht anrührt. Heimweh überspült mich so sehr, dass ich kurz laut seufze. Ich schaue zu der einzigen Person im Raum, die mich aufzufangen vermag. Jesien begegnet meinem Blick und legt den Kopf fragend schief. Das tut er öfter, wie mir in dem Moment auffällt.
»Alles klar, Maya?«, fragt er.
Ich nicke und sehe zu Gaia. »Gäbe es nicht eine Möglichkeit, solche gemeinsamen Essen auch in Zukunft abzuhalten?«, frage ich ganz offen. »Ich fände es schön, die anderen auch hin und wieder zu sehen und die Brüder wären nicht ganz so alleine.«
Die Göttin mustert mich lange und ausgiebig, während die Jahreszeiten und ich uns gegenseitig ansehen. Selbst Nevis tauscht Blicke mit seinen Brüdern aus. Sol lacht leise, während Aviv ein wenig erschrocken aussieht.
»Ich werde es mir überlegen«, sagt Gaia schließlich. »Es ist allerdings schwierig, das zu bewerkstelligen, da ich die Pflichten meiner Söhne in ihrer Abwesenheit übernehme. Die Natur kann immer nur kurz alleine gelassen werden.«
Ich weiß nicht, wieso, aber obwohl Gaia mit mir spricht kann ich nicht anders, als Nevis zu beobachten, dessen Aufmerksamkeit allerdings voll und ganz bei seiner Mutter zu sein scheint.
»Darauf einen Schluck«, murmelt Jesien amüsiert und hebt kurz sein Weinglas bevor er einen ordentlichen Schluck davon nimmt.
»Oh Mutter, dann müsste ich ja des Öfteren neben diesem nach Blümchen duftenden Kerl sitzen«, seufzt Sol und grinst dabei über das ganze Gesicht. Aviv stößt ihm darauf seinen Ellbogen in die Seite und sieht mich danach entschuldigend an. Ich lache über die beiden und widme mich dann wieder meinen Nudeln. Den eisigen Blick auf mir spüre ich auch, ohne hochsehen zu müssen.
Als ich den Speiseraum verlasse, fühle ich Nevis hinter mir. Ich drehe mich im Flur zu ihm um.
»Maya«, beginnt er stammelnd, »ich …«
Weiter kommt er nicht, denn seine Brüder stürmen an ihm vorbei und ziehen mich lachend und plappernd von ihm weg. Traurige hellblaue Augen sehen mir nach und ich frage mich, was er mir sagen wollte.
5. … DIE HATTE VIER KINDER, …
Ich versuche mich wirklich ernsthaft zu konzentrieren, während ich den Nachmittag mit Sol, Aviv und Jesien im Schwimmbad verbringe. Der Herbst verlässt ab und zu das für ihn etwas zu warme Zimmer, doch er kehrt zu meiner Freude immer wieder zurück und kommt schließlich sogar zu uns ins Wasser. Meine Gedanken kreisen wie verrückt um das, was Nevis mir hat sagen wollen. Auf meinen Lippen liegt ein kaltes Prickeln, denn sie haben seine Haut berührt.
»Woran denkst du?«, fragt Jesien plötzlich neben mir. Um seine Mundwinkel zuckt es und Wassertropfen rinnen von seinen nassen Haaren herunter über sein Gesicht. Einer löst sich gerade von seiner wohlgeformten Nasenspitze.
»Hast du eigentlich jemals schlechte Laune?«, übergehe ich seine Frage. Sicher nicht, beantworte ich sie mir im Kopf selber, der Wein hält ihn fröhlich .
»Ja.« Jesien wirkt plötzlich ernst und wechselt das Thema. »Was du da heute beim Mittagessen für uns getan hast, war sehr mutig von dir, Maya.«
»Wieso? Ich habe nicht den Eindruck, dass die Göttin eine Tyrannin ist.«
»Trotzdem. Du hast unserer Mutter eine ziemlich dreiste Frage gestellt. Regeln, die sie erstellt hat, einfach in Frage gestellt.« Das war mir gar nicht bewusst. »Ich würde mich sehr freuen, wenn ich dich nach unserer gemeinsamen Woche hin und wieder sehen dürfte.«
»Sie hat noch nicht Ja gesagt«, erinnere ich ihn.
»Dann lass uns darauf hoffen.« Seine haselnussbraunen Augen zwinkern mir zu und ich komme nicht umhin, sein schönes, jugendliches Gesicht zu bewundern.
»Ich habe dich sehr gern, Jesien.«
»Und ich respektiere dich, Maya. Du hast Mumm.«
»Finde ich so gar nicht«, seufze ich. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich hier nicht gut schlage. Für den Herbst empfinde ich Freundschaft, Sol und Aviv – ja, die beiden lasse ich irgendwie schon komplett außer Acht, ohne sie richtig kennengelernt zu haben und der Winter ist innerlich so zerbrochen, dass es unmöglich wird, ihn in
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