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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Wolf
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ich dich verliere.«
    Ich stehe auf und gehe vorsichtig ein paar Schritte auf ihn zu. »Wie meinst du das?«, flüstere ich beinahe schon.
    Er sieht mich an, sein Gesicht verrät nichts über seine Stimmung. »Du bist die erste Frau, die ich gerne hätte, Maya. Aber die Erfahrung zeigt mir, dass du mich nie nehmen würdest und selbst wenn du es tun würdest, wäre es nur noch schlimmer. Dich jetzt zu verlieren wird wehtun, aber dich nach hundert Jahren sterben zu sehen wird mich umbringen.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Ich bin unendlich müde, Maya.«
    »Willst du dich hinlegen?«, frage ich und schiebe dann, weil mich die Panik packt, dass er mich wegschicken könnte, sofort hinterher, »Darf ich bei dir bleiben?«
    Nevis‘ Lippen verziehen sich zu einem kleinen Lächeln, das mir so warm wie die Sonne vorkommt. Eine wärmende Wintersonne auf weiß glitzerndem Schnee.
    »Nein, so meinte ich das nicht.«
    Meine offensichtliche Verwirrung scheint ihn zu amüsieren. Er kommt näher an mich ran und streicht mit einer Hand über mein noch nasses Haar.
    »Du bist so wunderschön«, flüstert er leise. Seine Hand gleitet über den Zopf, vorbei an den Kennzeichen seiner Brüder und hinunter zu dem Schnee an den Haarspitzen. Er hebt den Zopf an und betrachtet das gefrorene Weiß. »Auf deinen feuerroten Haaren sieht es fremd aus«, spricht er seinen Gedanken laut aus.
    »Ich finde, es hat was«, sage ich, doch Nevis schaut nicht auf und betrachtet weiter den vom Wasser ganz matschigen Schnee. Ich ziehe das Laken fester um mich herum, obwohl die Temperatur mittlerweile wieder ganz angenehm ist und Nevis' Hände, die ganz sacht meine Seite berühren, plötzlich warm wirken. Ja, sogar sein ganzer Körper scheint Hitze auszustrahlen.
    »Nevis?«
    »Hm?«, brummt er, ohne den Blick zu heben.
    »Morgen gehe ich mit Aviv weg und ich möchte, dass du weißt, dass ich viel an dich denken werde. Würdest du mir einen Gefallen tun?«
    Jetzt sieht er auf und seine Augen wirken ganz sanft.
    »In den drei Wochen, die wir uns nicht sehen – würdest du da mal darüber nachdenken, wie das hier alles für mich ist? Hundert Jahre sind für mich eine sehr lange Zeit und ich darf sie nur mit einer Person verbringen.«
    Seine Miene wird sofort wieder ernst und starr. »Jesien wird dir ein guter Begleiter sein.«
    Am liebsten will ich ihn anschreien, dass ich ihn und nicht Jesien will. Doch irgendetwas sagt mir, dass ich mir die Kraft für unsere gemeinsame Woche sparen sollte. Ich atme tief durch und frage stattdessen: »Darf ich den Nachmittag heute mit dir verbringen?«
    »Wieso, Maya?« Seine Augen wirken einen Moment verletzlich. »Wieso willst du es mir noch schwerer machen, als es bereits ist?«
    Traurig trete ich von ihm zurück und mein Zopf fällt aus seiner Hand. Ich drehe ihm den Rücken zu.
    »Es scheint so, als würde dir das, was es mir leichter machen würde, das hier alles zu überstehen, es dir schwerer machen.« Ich lausche, doch er sagt nichts. Das Heimweh in meiner Brust meldet sich wieder und drückt mir die Luft weg. »Sei froh, dass du wenigstens deine Iria hast.« Meine Stimme bricht. »Ich habe hier niemanden und ich kann mir selbst nicht erklären, warum es mich so sehr zu dir zieht.« Schnell eile ich zur Tür. Ich höre Nevis meinen Namen rufen, doch er folgt mir nicht, als ich den Flur hinunterlaufe, der nun eine merkwürdige Biegung macht, die er vorher nicht hatte und mich somit direkt zu meinem Zimmer führt. Ich reiße die Tür auf und werfe sie hinter mir zu. Ich erlaube mir eine Träne zu weinen, bevor ich sie wütend mit Nevis‘ Laken abwische und zum Fenster stampfe. Der Blick auf den Kirschblütenbaum lenkt mich wieder von Zuhause ab. Ich bin die Auserwählte. Mein Leben lang wurde ich auf diese Aufgabe vorbereitet und ich werde sie gut machen. Ende. Dann werde ich eben Jesien glücklich machen.
    Etwas später klopft es an meine Tür. Ich trage noch immer den Bikini und Nevis‘ Laken und konnte mich bisher einfach nicht dazu aufraffen die Kleidung zu wechseln.
    »Herein!«, rufe ich und die Tür wird zaghaft geöffnet. Aviv steckt seinen brünetten Schopf herein und funkelt mich mit seinen grünen Augen an.
    »Hey, darf ich reinkommen?«
    Ich nicke und rutsche ein wenig im Erker, damit er neben mir Platz nehmen kann. Aviv lässt die Tür offenstehen, aber ich vermute, dass er nichts Geheimes mit mir besprechen möchte, deswegen stört es mich nicht weiter.
    »Magst du Kirschblüten?«, fragt

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