Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
kämpfe mich mit ihm gemeinsam über das Gerümpel in das Innenteil hinein.
»Es ist erstaunlich, wie gut du dich hier auskennst«, sage ich, während ich über etwas klettere, was wie ein großer grauer Kasten mit Rädern aussieht.
»Was denkst du, wer das alles hier eingefroren hat?«
Ich kann meinen Weg nicht aus den Augen lassen, damit ich nicht hinfalle und nehme dankbar immer wieder Nevis‘ Hand an, wenn er sie mir hinhält.
»Sobald wir in der Grenzzone sind, wirst du uns lenken müssen.«
»Ich werde mein Bestes geben«, sage ich. »Allerdings kenne ich mich dort auch nicht aus. Hoffen wir, dass wir auf Grenzer treffen.«
»Grenzer?«, fragt Nevis.
»Gaia erlaubt uns, das Grenzgebiet für einige Dinge zu nutzen. Anbau von robusten Pflanzen zum Beispiel oder die Jagd. Grenzer sind Menschen, die die Erlaubnis haben, die sichere Zone zu verlassen.«
Nevis nickt und hilft mir über einen umgekippten Sitz herüber. Endlich sind wir innerhalb des Flugzeugbauchs, doch auch hier ist natürlich alles gefroren und stellenweise spiegelglatt. Nevis führt mich weiter und schließlich gelangen wir in eine Art Zwischenraum.
»Hinter der Tür ist das Cockpit, wo die Piloten saßen.« Nevis hilft mir meinen Rucksack auszuziehen und lässt dann seinen vorsichtig von den Schultern rutschen. »Hier durfte nur die Crew rein«, erklärt er weiter und ich sehe mich um. Der Boden und die Wände sind mit einer Frostschicht überzogen und alles wirkt sehr metallisch und unnatürlich. Nicht gerade ein Ort zum Wohlfühlen, aber ich verstehe Nevis‘ Gründe, warum er mich hierhergebracht hat. Wir sind vor allen Blicken und dem Schneesturm geschützt und ich brauche dringend eine Pause, um auszuruhen. Nevis rollt ein paar dünne Matten auf dem Boden aus und zieht dann Schlafsäcke aus meinem Rucksack. Er drapiert sie darüber und deutet mir an mich in einen hineinzulegen. Ich folge seiner Aufforderung, doch der Schlafsack hat so viele Schichten und extra eine Art Kapuze für den Kopf, dass er mir zu Hilfe kommen muss.
»Schlaf etwas«, sagt er und gibt mir einen Kuss auf jedes meiner Augen. Mehr ist von mir nicht mehr frei. »Ich glaube du hast das letzte Mal so richtig bei Jesien geschlafen.«
»Und du?«, nuschele ich durch die vielen Schichten Stoff die mich umgeben. Innen im Schlafsack beginnt es tatsächlich, warm zu werden.
»Ich kann nicht schlafen«, flüstert Nevis und sieht mich mit traurigen Augen an. Im Himmelblau seiner Augen sind dunkle Regenwolken aufgezogen.
»Ich würde dich so gerne im Arm halten.«
»Und es gäbe keinen Ort, wo ich jetzt lieber wäre, als in deinen Armen, aber du brauchst jetzt etwas Schlaf und die Kälte arbeitet gegen uns.« Ein hilfloses Lächeln umspielt seine Augen, welches mein Herz aber nur noch mehr bricht. »Schließ deine Augen, Maya. Ich bewache deinen Schlaf.«
»Sicher?«
»Ja«, er seufzt und ich meine, seine Zähne klappern zu hören. »Ich hätte nie gedacht, dass sich Kälte so furchtbar anfühlen kann.«
Ich lache leise, weil ausgerechnet der Winter das sagt, doch ich bin zu müde, um etwas zu erwidern, und die sich langsam aufbauende Wärme im Schlafsack erledigt alles Übrige.
Als ich wieder wach werde, ist es stockfinster um mich herum. Doch ich spüre sofort, dass ich nicht alleine bin. Nevis‘ Kopf liegt so nah es die Schlafsäcke zulassen an meinem. Ich kann seinen regelmäßigen Atem hören und dränge mich ihm noch etwas entgegen. Erneut schließe ich die Augen.
»Maya?«, höre ich Nevis meinen Namen rufen. »Komm, wach auf, wir müssen weiter.«
»Was?«, murmele ich verwirrt und öffne meine Augen.
»Setz dich auf und trink etwas«, befiehlt Nevis mit sanfter Stimme. Ich sehe ihn an und bemerke seine rot geränderten Augen und sein unnatürlich blasses Gesicht.
»Alles okay?«, frage ich und schäle mich mit Nevis‘ Hilfe aus dem Schlafsack. »Du siehst gar nicht gut aus.«
»Ja … ja«, stammelt er und fährt sich mit dem Arm über die Augen. »Miese Nacht und mein Körper fühlt sich vollkommen fremd an.«
»Möchtest du darüber reden, was passiert ist?«, setze ich vorsichtig an und lege abwartend den Kopf schief. Nevis schüttelt den Kopf.
»Wenn wir da sind, … vielleicht.« Damit reicht er mir einen dampfenden Becher mit Tee. Offensichtlich besitzt Nevis bessere Behälter zum Warmhalten als Jesien. Wobei in der Kälte alles dampfen würde, was wärmer als klirrendkalt ist.
»Iria hat mir so oft das Leben gerettet«, stammelt Nevis
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