Morituri - Die Todgeweihten
den ganzen Schlamassel verantwortlich. Ist doch egal, ob er erst ’ne knappe Stunde vor dem Start an Bord gekommen ist.«
Raschid kümmerte sich nicht weiter um die Beschwerden, Beleidigungen und die anfänglichen Drohungen. Dann ereignete sich folgendes: eine Terrine flog gegen eine Verstrebung; der Werfer gleich hinterher; jemand zückte ein Messer; das Messer zerbrach in zwei Teile, und Raschid wollte den gleichen Effekt gerade bei dem Messerstecher selbst nachvollziehen; zwei andere Mannschaftsmitglieder warfen sich auf Raschid und krachten ebenfalls gegen die Terrinen-Verstrebung.
Als er mitten in der Hundswache jemanden an seiner Tür herumfummeln hörte, erkannte Raschid, dass diese Mannschaft ganz besonders schwer von Begriff war. Nachdem er die Störung beseitigt hatte, holte er die Freiwache und ließ sie die Angreifer zur Krankenstation tragen. Dort bandagierte er sie notdürftig, da ihm sowohl die nötigen Mittel als auch die Kenntnisse fehlten, um die Nase des zweiten Mannes wieder zurechtzubiegen. Er tröstete sich jedoch damit, dass er nicht der erste und sicherlich auch nicht der letzte war, der sie zertrümmert hatte. Dann renkte er das Bein des dritten Mannes ein, und als Moran am nächsten Tag damit drohte, den jetzt nutzlosen Raumfahrer einzubuchten, überzeugte er ihn davon, dass er in der Küche Hilfe sehr gut gebrauchen konnte.
Nicht, dass es zwischen dem Start und der Landung viel zu tun gegeben hätte. Auf einem normalen Schiff musste man sich um Instandhaltung, die Fracht und so weiter kümmern. Auf der Santana jedoch machte sich darüber niemand Gedanken. Wenn man am Rost kratzte, würde man doch nur die Außenhülle durchlöchern.
»Sehr, sehr dumm«, dachte Raschid, denn die Situation spitzte sich zu. Die Mannschaft beschwerte sich nicht mehr, sie verfiel immer mehr dem Trübsinn. Dann fingen sie auf einmal zu reden an, einige von ihnen, immer zwei oder drei gleichzeitig, immer ziemlich leise, auf den Korridoren oder in unbenutzten Sektionen des Schiffes. Derlei Gespräche konnten sich nur um zwei Dinge drehen: Mord oder Meuterei. Oder beides.
Raschid beobachtete alles und hörte dort zu, wo es ihm möglich war. Drei Raumfahrer hielt er für die Rädelsführer. Sein neuer Gehilfe versorgte ihn mit den nötigen Hintergrundinformationen zu den dreien.
Er machte sich so seine Gedanken über sie. Einer von ihnen hatte ebenfalls diesem Überfalltrupp angehört, der sich an seiner Tür zu schaffen gemacht hatte. Alles, was T’Orsten wollte, war stänkern, und er hatte geschworen, dass auch Raschid sein Fett abbekommen würde, und zwar bei der nächstbesten Gelegenheit.
Die zweite war ein typischer Schläger. Cady Sie schien vor allem zu wurmen, dass Moran ein noch erfolgreicherer und gefährlicherer Schuft war als sie.
Die dritte im Bunde war jedoch ein etwas komplexerer Charakter: Antriebsmechaniker Pitcairn. Sie versuchte, sich ebenso zu geben wie die anderen, und meistens gelang ihr das auch. Doch Raschid registrierte hin und wieder die verräterischen Spuren einer besseren Erziehung in ihrer Ausdrucksweise. Er beobachtete die Frau ziemlich genau – und wurde von ihr ebenfalls beobachtet.
Sie suchte ihn in seinem Quartier auf.
»Ich wollte dich nur was wegen des Abendessens fragen«, sagte sie und zeigte auf das Com.
»Das ist sauber«, sagte Raschid. »Moran oder sonst jemand hatte einen Induktionsempfänger reingesetzt, doch der ist inzwischen außer Betrieb.«
»Ziemlich ausgefuchst für einen Nudelfuzzi.«
»Nicht ausgefuchst. Nur vorsichtig.«
»Bist du SDT?«
Raschid schüttelte den Kopf.
»Hab ich auch nicht gedacht. Bei Pease Line werden nur Unorganisierte angeheuert. Oder solche, die zumindest ihre Mitgliedschaft abstreiten.«
»Wie du?«
»Fällt ziemlich schwer, aktiv zu bleiben, wenn man schon einige Jahre auf dem Trockenen sitzt. Außerdem war’s dort, wo ich an Bord ging, nicht gerade ungefährlich.«
Raschids Neugier hinsichtlich Pitcairn war befriedigt. Die Gewerkschaft Schiffe, Docks & Transporte machte schwere Zeiten durch. Diese Organisation war für ihre Militanz und ihre verständliche Aggressivität bekannt; nachdem es mit der Wirtschaft des Imperiums dermaßen bergab ging, war es für die Bosse nicht nur ein leichtes, den Raumhafenarbeitern außertarifliche Verträge aufzuzwingen, sondern auch jeden aktiven Gewerkschafter auf die schwarze Liste zu setzen.
»Warum ich eigentlich mit dir sprechen wollte … Dieser Zustand hier muss bald ein Ende
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