Morituri - Die Todgeweihten
Scannings inaktiv.«
Rykors Gefühlsdrüsen hatten ihren Sitz ungefähr dort, wo sich beim Menschen der Tränenkanal befindet; sie reagierten sofort auf Leiden oder Schmerz ihrer Versuchspersonen. Sie schien zu weinen, während sie vielleicht gerade dabei war, das schrecklichste Schicksal für einen Patienten vorzuschlagen.
»Was liegt jetzt an?«
»Zunächst Venloes Gesundheitszustand.«
»Man wünscht ihm einen Tod der tausend Qualen, aber gleichzeitig weiß man, dass es am besten ist, wenn er so gesund bleibt wie ein Pferd. Ich will nichts über seinen Gesundheitszustand hören. Wahrscheinlich erstklassig, vermute ich. Weiter.«
»Ich glaube, wir beide sollten ein streng vertrauliches Dokument von diesem Scanning erstellen. Aus seinen Persönlichkeitsmerkmalen ergibt sich ein ganzes Lehrbuch, das bei sorgfältiger Überarbeitung und umsichtigem Lektorat wertvolles Material für Psychologen ergibt. Was dich betrifft … einige der Vorgänge, in die er während seiner Vergangenheit verwickelt war, dürften höchst interessant und lehrreich für dich sein.« Sie schnaubte nachdenklich durch ihre Barthaare hindurch.
»Und wie steht’s mit dem großen Coup?«
»Ach ja, er ist schuldig, in dem Maße, wie er es selbst gesagt hat. Interessanterweise hat er Chapelle sehr präzise analysiert, ohne je in dem Bereich gearbeitet zu haben, und wusste sich seiner sehr geschickt zu bedienen.
Und Sullamora war sein Arbeitgeber und Zahlmeister. Das war alles.«
»Das ist alles? Nicht mal ein verdammtes Memo, auf das er zufällig einen Blick werfen konnte? Sag schon was, Rykor. Nur ein kleiner Hinweis. Vielleicht war das Kabinett mal sturzbetrunken, und alle sangen »We’ll be glad, when you’re dead, you rascal you …« Irgendwas.«
»Nichts. Ich weiß ja, dass es sich hier um ein Tribunal handelt, Ian. Bei einer richtigen Gerichtsverhandlung wäre seine Zeugenaussage vielleicht gar nicht statthaft. Aber ich denke, sie werden ihn für das Tribunal zulassen.«
Mahoney gab sich Mühe, etwas hoffnungsvoller auszusehen.
»Naja, das ist weniger, als ich mir erhofft hatte, aber es wird uns auch so weiterbringen. Vermutlich. Hast du ihn richtig bearbeitet?«
»Ich habe ihn ziemlich in die Mangel genommen.«
»Verflixt!«
»Verlier nicht die Hoffnung, Ian. Vielleicht entpuppt er sich ja doch noch als dein Mann. Venloe sagt, dass er Sullamora einen Rat gegeben hat, nicht etwa, weil ihm etwas an Sullamora gelegen hätte, verstehst du, sondern nur, weil er sichergehen wollte, dass er am Ende auch sein Geld bekommt. Er sagte Sullamora – und das enthielt auch eine Warnung für Tanz, mit ihm kein doppeltes Spiel zu spielen –, dass er sich in acht nehmen solle. Sullamora erwiderte darauf, das spiele keine Rolle, er habe sich rückversichert.«
»Und wir werden niemals herausfinden, wo. Wenn er sich tatsächlich versichert hat, dann hätte das Kabinett sicher bereits alles abgegrast, alle seine Ländereien, seine Bankkonten, seine Büros und seine Freunde, die ebenfalls danach suchen. Wir werden das nicht tun – falls es diese Versicherung überhaupt je gegeben hat.«
»Ian. Mach dir nichts draus. Vielleicht sollte ich dich mit einem wirklich guten Witz aufmuntern.
Alex Kilgour hat ihn mir direkt nach seiner Rückkehr erzählt.«
»Nein. Klares Nein, besonders was obszöne Witze betrifft. Ich kenne Kilgours Witze, besten Dank. Danach geht’s mir nur noch schlechter. Und wenn du ihn sowieso erzählst, dann werde ich – ach, zum Teufel damit.
Weißt du, was das schlimmste daran ist, ein ehemaliger Flottenmarschall zu sein? Man kann niemandem mehr mit dem Kriegsgericht drohen!«
Es war nicht so einfach herauszufinden, was an jenem Abend passiert war, an dem das Kabinett urplötzlich seine Sportbegeisterung entdeckte und loszog, um das Gravball-Match zwischen den Rangers und den Blues anzusehen, aber dafür war es ein ziemlich sicherer Job. Sten hielt an seinem Gelübde fest, die verbleibenden Befragungen über Haines abwickeln zu lassen.
Dafür musste als erstes eine zweite geeignete Tarnung gefunden werden, unter der Fragen gestellt werden konnten, die das Privatkabinett betrafen.
Haines und Sten dachten sich etwas aus.
Mord waren, in diesem Falle dankenswerterweise, keine Grenzen gesetzt. In der fraglichen Nacht war eine Frau ermordet worden. Bei dem Verdächtigen, der spurlos verschwunden war, handelte es sich um ihren Freund. Noch vor kurzem war er wegen einer anderen Geschichte in einer völlig anderen
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