Morituri - Die Todgeweihten
an. Als er die fünf Mitglieder des Kabinetts dort auf dem grasbewachsenen Hügel, dem Grab des Imperators stehen sah, wusste er, dass er fünf Attentäter vor sich hatte.
Nach einem Moment des Zögerns erzählte er ihnen auch den unmöglichen Teil der Geschichte. Direkt im Anschluss an die Beerdigung hatte er das Arbeitszimmer des Imperators aufgesucht, eine Flasche des wüsten Destillats, das der Imperator Scotch zu nennen pflegte, ausgegraben und in aller Ruhe einen kleinen Abschiedstrunk einnehmen wollen. An der Flasche klebte eine handgeschriebene Nachricht:
»Bleib hier, Ian. Ich komme gleich zurück.«
Es handelte sich eindeutig um die Handschrift des Ewigen Imperators.
In Erwartung ungläubiger Entrüstung legte Mahoney eine kleine Pause ein. Die Entrüstung bekam er auch, obwohl sie in den Gesichtern beider Männer unter dem Ausdruck betonten Interesses verborgen lag – und einer langsamen Bewegung Stens in Richtung auf Mahoneys Pistolenhand.
»Das ist … wirklich höchst interessant, Flottenmarschall. Sir. Haben Sie eine Vermutung, wie die Nachricht dorthin gekommen ist? Wollen sie damit etwa andeuten, dass es sich bei dem Mann, der erschossen wurde, um ein Double handelte?«
»Nein. Das war der Imperator.«
»Dann hat er also ein gutes Dutzend Schüsse und diese Wahnsinnsexplosion überlebt?«
»Hör schon mit dem Quatsch auf, Sten. Er war tot.«
»Aha.« Alex. »Dann ist er also sofort aus dem Grab auferstanden, um Ihnen einen kleinen Liebesbrief zu hinterlassen.«
»Natürlich nicht. Er muss einem der Gurkhas Anweisungen gegeben haben; oder einem Palastangestellten. Ich habe nachgefragt. Niemand wusste etwas.«
»Lassen wir die Frage, wie die Nachricht dorthin gelangte, für einen Moment außer acht, Ian. Weißt du denn, was du da gerade gesagt hast? Entweder bist du verrückt – oder du hast dich diesem Kult angeschlossen, der überall verkündet, dass der Imperator bis in alle Ewigkeit leben wird. Außerdem sind mehr als sechs Jahre Versteckspiel ziemlich lang. Und genauso lange dauert es schon.«
»Weder noch. Oder vielleicht bin ich doch irre, was weiß ich. Wollt ihr mir noch weiter zuhören?«
»Warum nicht? Was bedeutet Zeit für einen verdammten Elefanten?« meinte Kilgour. Er goss sich einen ordentlichen Schluck Alk ein und hielt ein wachsames Auge auf Mahoney.
Mahoney fuhr fort. An jenem Tag hatte er einen Plan gefasst. Er wollte diesem Privatkabinett das Handwerk legen.
»Hast du daran gedacht, dass du in ihren Augen vielleicht genau der Typ bist, der ihnen eins auswischen will?« erkundigte sich Sten.
»Genau daran habe ich gedacht und sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet, um mir die Bande von der Pelle zu halten.«
Mahoney hatte seinen Dienst vorzeitig gekündigt. Das Kabinett, ohnehin wie verrückt darauf fixiert, sich das nach den Tahn-Kriegen aufgeblasene und unglaublich teure Militär vom Hals zu schaffen, war froh um jeden einzelnen, der freiwillig ging. Fragen wurden nicht viele gestellt. Sten nickte. Auf die gleiche Weise war es ihm und Kilgour gelungen, in den Ruhestand und damit in Vergessenheit zu rutschen.
Das Kabinett war besonders froh darüber, Mahoney loszuwerden, der nicht nur der über alles geschätzte Flottenmarschall des Imperators war, der Architekt des Sieges über die Tahn, sondern vordem viele, viele Jahre lang der Chef des Mercury Corps, des Imperialen Geheimdienstes.
»Ich wollte sie jedoch nicht in dem Glauben lassen, dass ich ihnen irgendwelche Knüppel zwischen die Beine werfen würde. Also besorgte ich mir Rückendeckung.«
Mahoney hatte überall bekannt werden lassen, dass er vorhatte, an einer umfassenden Biographie über den Ewigen Imperator, des größten Mannes, der je gelebt hatte, zu arbeiten. Dieser Plan passte sehr gut zu der Absicht des Kabinetts, aus ihrem Vorgänger einen Märtyrer zu machen.
»Statt dessen bastelte ich natürlich an meinem eigenen Vorhaben. Wenn ich nur gewusst hätte, was ich damit anfangen sollte, aber ich musste es einfach tun.«
Mahoney wühlte in den Archiven und recherchierte etwa ein Jahr lang die frühen Jahre des Imperators. Nach dieser Zeit fand er, dass das Kabinett sein Interesse an ihm verloren hatte und er sich seinem eigentlichen Ziel widmen konnte. Ein wenig linkisch gestand er Sten und Alex, dass er schon immer eine Vorliebe für grundlegende Recherchen gehegt hatte. Unter anderen Umständen – wenn er zum Beispiel nicht gerade in eine traditionsreiche Militärfamilie hineingeboren worden
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