Morituri - Die Todgeweihten
Manager-Suchdienst angesprochen worden. Man bot ihr den ihrer Meinung nach ultimativen Job an, und das zum Dreifachen ihres damaligen Gehalts. Ob es ihr etwas ausmachte, in ein anderes System überzusiedeln? Nein. Der Headhunter schien sich nicht sehr darüber zu wundern, gerade so, als kenne er sie in- und auswendig. Die neue Position war die einer Privatbibliothekarin. Die junge Frau schreckte zurück. Sie hatte nicht die Absicht, sich in den staubigen Archiven eines Sonderlings begraben zu lassen und der Welt adieu zu sagen.
Nein, so etwas sei es ganz bestimmt nicht, hatte der Mann gesagt. Er schlug vor, dass sie dem Planeten Yongjukl einen Besuch abstattete und sich ein Bild von ihrer neuen Aufgabe machte. Man würde ihr ein Rückflugticket zukommen lassen. Er bot ihr an, sie zu begleiten. Sie lehnte ab. Die Bibliothekarin war ziemlich attraktiv, und der Headhunter schien enttäuscht zu sein.
Die Bibliothek erwies sich als beinahe so groß wie ein stattliches Herrenhaus und als eines von mehreren Gebäuden auf einem weitläufigen Grundstück. Im Vergleich zum Hauptgebäude war die Bibliothek jedoch ein Zwerg. Das Anwesen lag versteckt inmitten eines über eintausend Quadratkilometer großen, bewachten und abgesicherten Geländes. Ihre eigenen Wohnräume waren luxuriös ausgestattet. Ein ganzer Stab von Haushaltshilfen sorgte dafür, dass es ihr an nichts fehlte: Köchinnen, Putzpersonal, Gärtner.
Dabei war die Bibliothekarin keineswegs gefangen. Ihr stand ein eigener A-Grav-Gleiter zur Verfügung, mit dem sie in weniger als zwei Fahrtstunden eine große Stadt mit regem kulturellem Leben erreichen konnte. Man erlaubte ihr, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen – solange das System ständig auf dem laufenden war. Sollte sie Unterstützung benötigen, durfte sie so viele Hilfskräfte einstellen, wie sie wollte.
Computer? Scanner? Inventarisierungsroboter? Alles war vom Feinsten und wurde regelmäßig durch die neuesten Modelle ersetzt.
Sie fragte, ob ihr eigne Studien und Recherchen erlaubt seien. Aber gewiss doch. Durfte sie Besucher empfangen? Ganz nach Belieben. Nur wenn sie das Gelände verließ, sollte sie doch bitte einen Pieper mitnehmen. Sie musste rund um die Uhr erreichbar sein, auch wenn von dieser Möglichkeit wahrscheinlich niemals Gebrauch gemacht würde.
Alles schien zu schön um wahr zu sein. Sie kam sich wie eine Figur in einem dieser Schauer-Livies vor, die sie angeblich im Alter von zwölf Jahren aufgegeben hatte, aber noch immer mit einigen Schuldgefühlen »durchlebte«, wenn sie sich gelegentlich ein Schaumbad gönnte.
Dieser Eindruck beschlich sie vor allem deshalb, weil in dem Hauptgebäude – abgesehen vom Personal – niemand zu wohnen schien. Und von denen hatte noch nie jemand den Eigentümer kennen gelernt oder auch nur gesehen.
Nachdem sie auf ihre eigene Welt zurückgekehrt war, lautete die erste Frage, die sie dem Headhunter stellte: »Für wen arbeite ich dort eigentlich?«
Der Mann erklärte es ihr. Das Haus und das ganze Gelände gehörten zu einem Familienbesitz. Welcher Familie? Das darf ich Ihnen nicht sagen. Aber das Haus muss im Besitz der Familie bleiben, und es muss in Schuss gehalten werden. Falls nicht bei dieser Angelegenheit handelt es sich um einen ziemlich elaborierten und exzentrischen Trust, meine Liebe –, würde ein gesamtes Wirtschaftsimperium auseinander brechen.
An der Spitze der Familie steht der junge Erbe, fuhr der Mann fort. Sie werden ihn wahrscheinlich niemals kennen lernen. Er ist unglaublich beschäftigt und zieht es vor, näher am Zentrum des Imperiums zu wohnen. Da er jedoch in jeder Hinsicht ein sehr ungewöhnlicher Mann ist, könnte es ebenso gut sein, dass er eines Tages auftaucht. Allein oder in Begleitung; in letztem Falle erbittet er sich absolute Ungestörtheit aus. Der Mann zuckte die Achseln. Es muss sehr angenehm sein, wenn man so reich ist, dass man sein Leben so präzise ordnen kann.
Wenn ich diese Stellung annehme, fragte die Frau – wofür Sie einen wöchentlichen, monatlichen oderjährlichen Vertrag unterschreiben können, unterbrach sie der Mann –, muss ich das alles geheim halten? Nein, nicht unbedingt, sagte der Mann. Ungefähr einmal im Jahr wird das geheimnisvolle Anwesen von den Nachrichten-Vids des Planeten zum Lieblingsthema erkoren. Sie dürfen sagen, was Sie wollen, es gibt absolut nichts zu verheimlichen.
Voller düsterer Gedanken an windumtoste Schlösser und adelige Liebhaber nahm sie die Stellung
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