Morland 02 - Die Blume des Bösen
dieses Kollektiv, unsere eigene Regierung; und alle Menschen, die zu bequem sind, sich diesem heraufziehenden Sturm entgegenzustemmen.«
»Warum sind Sie den Wargebrüdern beigetreten?«, fragte Elverum scharf.
»Das habe ich Ihnen doch erklärt: Weil ich im Gefängnis saß und ich keine andere Möglichkeit sah, meine Töchter zu befreien.«
»Welchen Preis haben Sie dafür zahlen müssen?«
Lennarts Gesicht errötete. »Was meinen Sie damit?«
»Kommen Sie! Mich können Sie nicht für dumm verkaufen! Sie haben lange genug mit den Boxvereinen zu tun gehabt, um zu wissen, dass sie sehr wirkungsvolle Methoden haben, ihre Mitglieder an sich zu binden.«
Lennart wich Elverums Blick aus. »Jefim Schestakow und Einar Gornyak haben eine Allianz geschlossen, um gegen Begarell zu kämpfen.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage!«
»Und die werden Sie von mir auch nicht bekommen. Es reicht, wenn ich mein Gewissen belasten muss.«
»Begarell mag sich ja gerade zum Diktator aufschwingen, aber das ist noch lange kein Grund, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen!«
»Begarell ist nicht einfach ein Diktator! Er ist ein Eskatay! Und er hat meine Kinder entführt!«
Elverum schwieg und Lennart konnte genau spüren, was im Kopf des Mannes vorging. Sein ehemaliger Kollege hielt ihn für eine arme Seele, die der Verlust der Frau und das Verschwinden der Kinder um den Verstand gebracht hatte.
»Ich bin nicht verrückt«, sagte Lennart. »Ich habe nur nichts mehr zu verlieren, außer Maura und Melina. Bitte. Helfen Sie mir.«
»Sie sind vermutlich im kommunalen Waisenhaus Nr. 9«, sagte Elverum leise. »Begarell reißt die Familien, die verhaftet wurden, auseinander. Die Erwachsenen werden in ein Lager hoch oben im Norden verschleppt, wo sie Zwangsarbeit leisten müssen. Die Kinder behält er als Geiseln. Oder er hat irgendetwas Besonderes mit ihnen vor; sie wurden jedenfalls alle in die staatlichen Waisenhäuser gebracht.«
Lennart schlug die Hand vor den Mund. Tränen traten in seine Augen.
»Sie werden keine Chance haben, Ihre Töchter zu befreien, auch wenn Ihnen Schestakow hilft. Man wird Sieschon am Tor verhaften. Das Waisenhaus wird von einer Spezialeinheit bewacht.« Elverum stand auf und zog sich seinen Morgenmantel an. »Ich habe immer noch ein paar Freunde, die mir einen Gefallen schuldig sind. Seien Sie morgen Abend um acht Uhr in der Nähe des Haupttores. Bringen Sie ein Automobil mit. Sie werden nicht eingreifen, haben Sie mich verstanden? Egal was passiert!«
Lennart nickte. »Danke«, sagte er und streckte die Hand aus.
Elverum ergriff sie. »Danken Sie mir nicht zu früh. Aber eines sollten Sie nie vergessen: Sie haben Freunde. Echte Freunde, die Sie nicht im Stich lassen, wenn es darauf ankommt. Ich hoffe, das werden Sie nicht vergessen, wenn Sie eines Tages vor der Wahl stehen.«
Lennart verließ die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu. Halldor, der die ganze Zeit auf dem Treppenabsatz gesessen hatte, stand auf.
»Und?«, fragte er.
»Elverum wird mir bei der Befreiung der Kinder helfen.« »Wunderbar. Aber was sagt er zu unserem Angebot?« Lennart bedachte Halldor mit einem mitleidigen Lächeln.
»Na, was denkst du?«
»Nun, ich denke, dass du ihm nicht mit der nötigen Überzeugungskraft gegenübergetreten bist.«
»Findest du? Dann kannst du das ja morgen Abend nachholen.«
»Wieso? Was ist morgen Abend?«
»Morgen Abend werde ich meine Kinder wieder in die Arme schließen können.«
***
Hakon glaubte zu fallen, tief und bodenlos, bevor er erwachte. Dann, als er damit rechnete, jeden Moment hart aufzuprallen, riss er die Augen auf.
Er lag wieder in seinem Zelt, eingehüllt in den Schlafsack. Draußen war es noch dunkel, aber die Sonne würde bald aufgehen, denn die Vögel zwitscherten schon. Und dann spürte er es plötzlich. Nora hatte also Recht gehabt.
»York?«, flüsterte er. »York, wach auf!«
Der Junge neben ihm stöhnte leise. »Was ist denn? Müssen wir schon weiter?«
»Nein, aber du musst mir zuhören. Was hast du heute Nacht geträumt?«
York überlegte kurz. »Dass ich wieder vor diesem Hotel gewesen bin, aber nicht hineinkam.«
»Ich habe dich gesehen.«
York war jetzt hellwach. »Aber wieso ich dich nicht?« »Weil ich drinnen war.«
»Was ?« York richtete sich auf. Hakon konnte ihn als Schatten vor der grauen Zeltwand sehen.
»Dieses Grand Hotel war so etwas wie die Zuflucht, die Zentrale der Gist.«
»Wieso war ?«
»Es existiert nicht mehr. Tess
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