Morpheus #2
einer Voruntersuchung durch das IA Reactive Squad, auch bekannt als die Schnelle Eingreiftruppe. Zwei Beschwerden beziehungsweise die Erhärtung der ersten beförderten die Akte eine Tür weiter zur Criminal Conspiracy Section. Die CCS legte ein so genanntes IA-Profil von jedem Beamten an, gegen den je ermittelt oder eine Beschwerde eingereicht worden war. Diese Profile zusammengenommen stellten die «schwarze Liste» dar, die Liste aller Polizisten, die sich je einen Fehltritt geleistet hatten.
Cops, denen Bestechlichkeit, sexuelle Belästigung von Häftlingen, Amtsmissbrauch und Ähnliches vorgeworfen wurde. Die schwarze Liste war einer der Gründe, warum die IA so gefürchtet war, denn wenn man einmal darauf gelandet war, war es unmöglich, wieder gestrichen zu werden. Sobald ein Name bei der IA notiert worden war, blieb er für immer mit Edding im Archiv eingeschrieben. Was dort natürlich bestritten wurde.
Und genau diese Liste brauchte Dominick.
Bei den Morpheus-Morden gab es offensichtlich eine Drogen-Connection. Die IA hatte zwar – wenn auch widerwillig – ihre Informationen über den toten Cop herausgerückt, doch die verdeckten Ermittlungen gegen lebende Polizisten wollte man dort nicht gefährden. Erst die Androhung einer Vorladung und eines anonymen Anrufs beim Herald, der die schlechte Zusammenarbeit in den Abteilungen zum Inhalt haben würde, verhalf Dominick zum Ziel. Ein Bote, wahrscheinlich ein Undercover-Agent der IA, hatte den versiegelten braunen Umschlag vorbei-gebracht. Jetzt, abends um halb zehn, brach Dominick das Siegel auf. Das grelle Neonlicht über dem Mahagonitisch tat ihm in den Augen weh. Die meisten Kollegen hatten das Gebäude längst verlassen.
Aus dem Umschlag zog er einen dicken Packen Papier, dessen Deckblatt folgende Warnung trug: MITTEILUNG
DAS MIAMI-DADE POLICE DEPART-
MENTSTUFT DIE FOLGENDEN DOKUMENTE
ALS VERTRAULICH EIN. ALS ARCHIVMATERIAL
DES STAATS FLORIDA DIENEN DIESE INFOR-
MATIONEN LAUFENDEN ERMITTLUNGEN DES
NACHRICHTENDIENSTS UND DER VERBRE-
CHENSBEKÄMPFUNG UND SIND NICHT ÖF-
FENTLICH ZUGÄNGLICH,
F.S. § 119.07(6)(b).1
UNBEFUGTER ZUGRIFF STRENG VERBO-
TEN.
Im Anschluss fand sich das IA-Profil jedes Polizisten, der beim MDPD auf der schwarzen Liste stand.
Dominick wusste, dass die IA sich nicht gern in die Karten sehen ließ und er hier nur eine frisierte Auswahl von Namen bekommen hatte. Trotzdem war er schockiert, als er die Seiten durchblätterte.
Schockiert, wie viele Namen auf der Liste standen.
EINUNDZWANZIG
C. J. war auf dem Sofa eingeschlafen. Am Boden stapelten sich die Aufzeichnungen für das Kreuzverhör am folgenden Morgen, Tibby hatte es sich darauf bequem gemacht. Auf dem Couchtisch stand ein halb volles Glas Wein. Im Fernsehen hatte eine Werbesendung Conan O’Brians Late-Night-Show abgelöst. C. J. fuhr hoch und sah sich verwirrt um.
Die ganze Woche hatte sie vor Richter Penney und seinem kauzigen Gerichtsdiener in einer Verhandlung gestanden. Und vor zwölf Geschworenen, die immer ungeduldiger wurden, weil sich der Fall länger hinzog als die drei Tage, die Richter Penney optimistisch angesetzt hatte. Dominick und sie hatten sich nur noch beim Zähneputzen gesehen und kommunizierten über hastige Telefongespräche und Liebesbriefchen, die am Kühlschrank klebten. C. J.
hatte versucht, wach zu bleiben, um auf ihn zu warten…
Sie brauchte eine Weile, um den Schlaf abzuschütteln und das Geräusch zu identifizieren, das sie hörte. Sie drückte den Lautlos-Knopf der Fernbedienung. Nichts. Hatte sie nur geträumt? Doch dann hörte sie es wieder.
Das Telefon in der Küche klingelte.
Sie sah auf die Uhr an der Wand. 4.12 Uhr. Als sie aufstand, hörte sie ein anderes Geräusch, diesmal aus dem Schlafzimmer. Der Signalton ihres Pager. Die Zentrale versuchte es wahrscheinlich über das Festnetz, nachdem sie sich nicht gemeldet hatte. Wann hatte der Pager angefangen zu pie-
pen?
Sie stolperte in die Küche, strich sich das Haar aus dem Gesicht und rieb sich die Augen. Dann hob sie den Hörer ab. «Hallo?»
Aus irgendeinem Grund erkannte sie die Stimme nicht gleich. Er war kaum zu verstehen, doch er klang sanft, wenn auch erschöpft. Das allzu vertraute Geheul von Sirenen und das Plärren von Funkgeräten war im Hintergrund zu hören. Er sprach sto-ckend, als scheute er sich vor der Mitteilung, die er zu machen hatte.
«C. J. Hier ist Dominick. Ich fürchte, es gibt schlechte Neuigkeiten…»
Mit halsbrecherischem Tempo
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