Morpheus #2
Sonne zu kassieren.»
«Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben», gab Dominick vorsichtig zurück. «Der leitende Special Agent in Miami hat heute Morgen der ganzen Stadt seine Unterstützung zugesichert.»
«Gracker ist ein dummer Hund», schnaubte Manny. «Da sind wir uns wenigstens alle einig.»
«Wem sagst du das. Alle hier haben das Kriegs-beil begraben, um die vom Federal Bureau auf die Plätze zu verweisen, aber so schnell geben die nicht auf. Wie Kakerlaken versuchen die sich unter der Tür durchzuquetschen. Ich wette meinen Arsch darauf, dass Gracker und seine Freunde in diesem Augenblick mit den Eierköpfen der Bundesstaatsanwaltschaft Kaffeekränzchen halten und einen Weg suchen, die Zuständigkeit für die Morde irgendwie von Landes- auf Bundesebene zu hieven.
Und ich schätze, dass er dabei tief in die Trickkiste greifen wird.» Dominick hatte seine Erfahrungen mit Mark Gracker, und die reichten weit zurück. Wenn das FBI den Ruf hatte, die Lokalbehörden zu unter-graben und die Lorbeeren für gelöste Fälle einzu-heimsen, an denen es nie gearbeitet hatte, ging das vor allem auf Mark Grackers Konto. Zur Belohnung hatten sie ihn zum leitenden Special Agent in Miami gemacht. Seitdem lud Dominick Gracker nirgend-wohin ein, ohne vorher in Weihwasser zu baden und Knoblauchgirlanden über die Tür zu hängen.
«Dann lass uns die Zeit genießen, die uns noch bleibt. Sieh mal einer an», Manny nickte anerken-nend. «Viel besser als unsere letzte Bruchbude.»
Das FDLE stellte der Task-Force eine ganze Ab-
teilung des neuen Trakts zur Verfügung. Die Schreibtische des Betrugsdezernats hatte man hinausgeräumt und vorübergehend beim Abschirm-dienst untergebracht. Jetzt stand in der Mitte ein großer nagelneuer Konferenztisch aus Mahagoni, und in den Ecken hatte man drei separate Compu-terarbeitsplätze eingerichtet, außerdem gab es zwei Kopierer und zwei Faxgeräte. Es roch nach neuem Teppich.
«Da siehst du Steuergelder bei der Arbeit. Also, ich kann nicht meckern. Ich habe einen neuen Schreibtisch bekommen, diesmal mit Aussicht», sagte Dominick.
Manny zeigte auf das Fenster, vor dem Dominick stand. Angelillos Streifenwagen war längst vom Parkplatz gegenüber abgeholt worden, doch das zerrupfte gelbe Flatterband war noch hinter den mächtigen Kiefern zu erkennen. Eine schwindende Zahl Uniformierter suchte immer noch nach Spuren, obwohl man die Hoffnung längst aufgegeben hatte.
«Hoffentlich ist sie angenehmer als die hier.»
Dominick schüttelte düster den Kopf. «Gleiche Richtung, den Flur hinunter.»
Jetzt wandte sich Manny der Wand auf der anderen Seite zu. «Da haben wir ja auch die verdammte Tapete. Wirkt irgendwie vertraut, auf eine ganz miese Art.»
Ein massives Korkbrett nahm fast die gesamte Rückwand ein, die Fotos der beiden Mordopfer waren bereits darangeheftet. In der Mitte hing ein farbiges Fahndungsposter mit dem grobkörnigen Ver-haftungsfoto von Miamis meistgesuchtem Mann: Jerome Sylvester Lightner alias Lil’ Baby J alias LBJ. Jeromes hartgesottenes Babyface zeigte einen Ausdruck von Überraschung, obwohl es mindestens das zehnte Mal gewesen sein musste, dass er vor dem Polizeifotografen stand. Die kurzen, ungepfleg-ten Dreadlocks sprossen ihm aus dem Kopf wie Farnwedel, und die Kamera hatte auch das Aufblit-zen der vielen Goldzähne erwischt, die sich hinter seiner grimmigen Miene verbargen. Ließ ihn das runde Bubigesicht jünger erscheinen als seine tatsächlichen einundzwanzig Jahre, dann machte ihn der distanzierte, kalte, fast tote Ausdruck in seinen braunen Augen älter. Zusätzlich zu einem ellenlangen Jugendstrafregister hatte er inzwischen auch eine eindrucksvolle Erwachsenenakte angesammelt, gespickt mit Drogenverhaftungen, Bagatellde-likten und einer Anklage wegen schwerer Körperverletzung, die jedoch fallen gelassen wurde, als der Kerl, dessen Gesicht er mit einem Schlagring bearbeitet hatte, plötzlich das Gedächtnis verloren zu haben schien. Zweimal war er wegen unerlaub-tem Waffenbesitz erwischt worden. Nichts war schwieriger, als dem gesetzestreuen Steuerzahler zu erklären, wie das Rechtssystem in Florida funktionierte, wenn ein Kerl mit einem derart ellenlangen Strafregister immer noch auf den Straßen in Miami frei herumspazierte und Ecstasy-Bestellungen annahm, anstatt irgendwo in den Sümpfen einzusitzen und für den Staat Nummernschilder zu stanzen.
«Vor meiner Abschiebung hat mich mein Lieutenant noch auf den neuesten Stand gebracht. Das hier
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