Morphin
den zweiten Chevaulegers sollte es zurückerobern, dabei ist alles schon verloren, die Sowjets sind einmarschiert, die Deutschen in Warschau, und hier wurde Rudnicki eine Schwadron der Brigade zugeteilt, um unser Regiment zu verstärken, und damit sollte Wieniawski die Festung zurückerobern. Hat er aber nicht, schon unterwegs wurden er und die Schwadron hinweggefegt, also stehen wir da. Den ganzen Weg nach Trembowla mit dem Zug und von da aus mit dem Zug und zu Pferde und zu Fuß, nur um den Krieg einen Kilometer von der eigenen Wohnung entfernt zu beenden. Menschen, in Kellern begraben. Der Leichnam einer Frau, in der Hüfte in zwei Teile gerissen, Fetzen der Gedärme, schwarzes Schamhaar auf menschlichem Fleischabfall, zwei fette Beine, an dem einen Strumpfhose und Pantoffel, neben der Leiche ein Kind, vielleicht zwei Jahre alt, unversehrt, völlig nackt, lebendig, lautlos schreiend, der Mund weit offen, das Kind ist ganz weiß, wie mit Kreide gepudert, versucht ein Heulen auszustoßen und schafft es nicht. Und hinter ihm – eine Fackel, drei Stockwerke hoch, aus den Fenstern des dritten wehen rote Feuerflaggen, schwarze Rauchschwänze.
Nimmt jemand dieses Kind mit, frage ich, nimmt es jemand mit. Ksyk nimmt es in den Arm, läuft irgendwohin damit, kommt zurück, die ganze Uniform weiß gefärbt, die Augen aufgerissen. Ich frage nicht.
So kämpft man in Mokotów, Kavallerie in Warschau. Auf dem Mokotów-Feld landet das letzte polnische Flugzeug, das ich gesehen habe, merkwürdiger Typ, einer Karausche ähnlich.
Wie klingt das, Kämpfen in Mokotów, wie klingt das, Kämpfen in Czerniaków, wie klingt das, wenn der Feind von Wilanów her vordringt, von Süden, kein Feind sollte über Czerniaków vordringen, kein Kampf stattfinden in Mokotów, in Mokotów wohnt man und trinkt Kaffee im Kakaosalon von Wedel und Heiße Schokolade, das Haus aus Schokolade, Jureczek winkt mir vom C in dem großen « CZEKOLADA » auf dem Dach unseres Wedel-Mietshauses herunter, auf der Straße war mein kleiner gelber Opel geparkt, wie kann ein deutscher Soldat diese Straße entlanggehen, wie können kleine deutsche Panzer sie entlangfahren, wenn doch mein Opel Olympia mit Faltdach dort stand, mein kleines Cabriolet, in dem ich meine Frau und so manche Nutte spazieren fuhr?
Und dennoch rollten deutsche Panzer die Czerniakowska und Puławska entlang, auch größere, von Osten kamen die Sowjets, und mit meinem kleinen Opel war bestimmt irgendein General oder anderer fetter Inspektor nach Rumänien abgedüst, gebe Gott, dass die Fritzen ihn unterwegs aus dem Flieger abknallen, die Geschosse des Bord- MG s den Zeltstoff durchlöchern, oder vielleicht noch besser: Es ist warm, er fährt mit offenem Dach, und die Serie macht nur Löcher in den dicken General und die Nutte, die er bei sich hat, Frau und Kinder noch im August nach Paris geschickt – und so verschied der General mit dem Kopf auf dem Lenkrad, mein Opel wurde langsamer und ist irgendwo auf der Straße zum Stehen gekommen, auf eine hilfreiche Seele wartend, die sich mitfühlend um sein gelbes Blech kümmert und das Blut aus der Kabine wäscht.
Oder vielleicht haben auch irgendwo bei Buczacz oder Tarnopol die Sowjets den General aus dem Opel gezerrt, ihm alles vom Leibe gerissen, die Generalsnutte vergewaltigt und umgebracht oder sie zur Kommissarsnutte gemacht, und schon fährt das Weibsstück weiter in meinem Opel … Das gönne ich ihnen alles. Mein kleiner Opel war schon einmal bei Buczacz und Tarnopol, eine Rallye, mein Opel, zwei Chevrolets und drei polnische Fiats, zwei Fünfhundertachter und ein Fünfhundertachtzehner, das weiß ich noch genau, über den Automobilclub haben wir das organisiert, kein besonders luxuriöses Teilnehmerfeld, nicht sehr elegant, aber schön war die Rallye trotzdem, wir trugen Pumphosen und Schirmmützen, die Herren sogar Pilotenhauben und Flugbrillen, auch Hela hatte eine Flugbrille, und wir fuhren meist mit offenem Dach, die Straße Nummer acht, aber nicht bis nach Rumänien, obwohl die Idee ursprünglich war, nach Chocim zu fahren, wir besichtigten lediglich die Festung Okopy Świętej Trójcy und später, auf der Rückfahrt, Besuch beim Regiment in Trembowla, Tarnopol, Lwów, Tomaszów, die schöne Straße nach Lublin und Warschau.
Aber wann war das, wann?
Vor drei Wochen bin ich in Warschau mit Rudnicki zu den Generälen gefahren, die beratschlagten, wie sie die Hauptstadt ordentlich übergeben könnten, und sich im Kopf schon
Weitere Kostenlose Bücher