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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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fauche ich zurück.
    «Und Rindfleisch, wollen Sie vielleicht Rindfleisch kaufen?», keucht er, nicht im mindesten gekränkt. «Erstklassig. Frisch von der Kuh. Zimmes. Von wegen Pferdefleisch, der Herr, richtiges Fleisch wie vor dem Krieg.»
    «Fahren Sie, Mann.»
    Er verstummt schließlich, keucht nur und keucht sich von der Solec in die Ludna, am Gaswerk vorbei, und weiter die Czerniakowska hochgekeucht, Holzhäuschen, gemauerte Mietshäuser, viele bei den Bombenangriffen verbrannt, Fahrräder, Wägelchen, auf den Wagen gleichen sich die Klassen aus wie Flüssigkeiten in verbundenen Gefäßen, Güter wechseln die Besitzer, Familien wechseln von ausgebombten Wohnungen in Souterrainhöhlen, ein deutscher LAZ -Jeep tuckert vorbei mit einsamem Fahrer mit runder Brille, Pferdekutschen, neben den Kutschen Wagen für vierzehn Personen, vergewaltigte Menschen auf der vergewaltigten Czerniakowska, der Rikschafahrer und ich.
    Und an der Mauer eines ausgebrannten Hauses zerrissene Zettel: Bekanntmachung über die Mobilisierung, die mich selbst vor ganz kurzer Zeit, vor einer Ewigkeit, nach Trembowla geführt hat, ein Plakat mit Nazipfote und einem sie durchbohrenden tapferen Soldaten. «Hände weg!», und ein abgerissenes Plakat noch aus der Vorkriegszeit – Sommertheater, Zerrissenes Herz. Das habe ich sogar gesehen, einmal mit Hela und einmal mit Sala.
    Ich: Zivilist. Ich: Nicht registrierter Reserveoffizier, besiegter Kostek, zerschlagener Kostek, Kostek der das Paket verloren hat, das Polen ihm anvertraute, Kostek der Hurenbock, Kostek der Morphinist, ausgehöhlter Kostek, Kostek krampfhaft das brüchige Geländer der Rikscha-Bank drückend, das Ohr vom Geseiche des Kupplerkutschers voll.
    Wir kommen an den Chevauleger-Kasernen vorbei, hier haben sie uns nach der Kapitulation von der Pius- XI hingebracht, die ganze Kavallerie stand dort, noch unter Waffen, denn es war eine ehrenvolle Kapitulation, alle wiederholten das wie eine Beschwörung, ehrenvoll unser kleines Kapitulatiönchen, die Offiziere gingen mit Blankwaffen ins Lager zum Zeichen, dass die Kapitulation ehrenvoll war, mir war zum Kotzen damals, und jetzt erst recht.
    Nach der ehrenvollen Kapitulation bekam ich in den Kasernen mein Bändchen und das Blechkreuz, in den Offiziers- und Soldatensälen wurde fürchterlich gesoffen, angeblich waren sogar irgendwelche Weiber da, weiß der Teufel, woher, ich habe sie nicht gesehen, dann der letzte Appell und nach Hause, wie Rudnicki befohlen hatte, nach Hause, die Uniform verbrannt, der fürchterliche Gestank der verbrannten Offiziersstiefel.
    Und gleich hinter den Kasernen: die Anstalt der Schwestern von Nazareth. Ich steige aus, zahle, ziehe das Jackett stramm, setze den Hut gerade und spüre plötzlich, wie furchtbar es mich schüttelt, als schüttelte mich die ganze Welt, aber ich gehe, es muss sein.
    Auf dem Hof der Anstalt ein fröhliches Treiben. Die Schwestern in ihren schwarzen Nonnenkleidern äußerst geschäftig, keine Schülerinnen zu sehen, irgendein junges Priesterlein ist da, ich gehe mit selbstsicherem Schritt über den Hof, so muss es sein.
    «Ja bitte?», spricht mich eine Schwester im weißen Schleier an, sie erglüht sofort unter meinem Blick, auch ich denke mir gleich, ach wie schade, dass so etwas Hübsches verkommt …
    Aber jetzt ist für diesen Blödsinn keine Zeit! Jetzt sind wichtigere Dinge zu tun, wiedergutmachen, was kaputtgegangen ist!
    «Ich muss mit Schwester Eulalia sprechen», sage ich entschieden, wie ich von früher, von vor dem Krieg, ich im gelben Olympia, Bonvivant und Weltmann, nicht das andere Ich, Morphinist, Hurenbock und Verräter, auch nicht das dritte Ich, Offizier der besiegten Reserve.
    So sage ich das, schaue dieser kleinen, weiß verschleierten Schwester in die Augen. Große Teeaugen, träge und feucht, keine Nonnenaugen, schöne Augen, dass mir das Blut ein wenig aufwallt.
    «Übermorgen fangen wir nämlich mit dem Unterricht an. Es muss aufgeräumt werden», sagt sie, als wolle sie sich für das Treiben vor einem Inspektor des Vatikans persönlich rechtfertigen.
    Ich gehe nicht darauf ein und spiegele mich in ihren Augen: der schöne Konstanty Willemann.
    «Ah, Schwester Eulalia, ja … Bitte.»
    Ich folge ihr und versuche, unter dem Ordenskleid Taille und Hüften zu erahnen und was sie sonst noch dort unter diesem Kleid haben mag, es gelingt mir nicht, und sie führt mich zu dem Gebäude und in ein Zimmer, wo, wie sich herausstellt, Schwester Eulalia an einem

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