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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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Aktentasche, und ich schlafe ein, stürze ab, Abstürzen tut nicht weh.
    Weckt. Mich. Ihn. Der Morgen. Ich öffne.
    Die Augen. Er öffnet. Daneben sie. Scheußlich. Die Uhr. Acht Uhr zwölf. Datum: Dreizehn. Acht oder zwanzig Uhr? Das Fenster: hell. Acht. Oktober.
    Sie lächelt. Kostek auch.
    «Du Hure.»
    Sagt. Kostek. Ich sage. Sie lächelt.
    «Ich bin deine Hure», schnurrt sie.
    Wie klingt das, da wallt das Blut in den Adern, wie klingt dieses «ich bin deine Hure» in einer Welt voller Frauen, die nicht essen, nicht ausscheiden und so gut wie gar nicht atmen, die nur ätherische Gespenster sind und nicht mal einen Spaziergang mit einem Mann riskieren, um nicht ins Gerede zu kommen. Wie gut, dass du meine Hure bist, meine schöne, klebrige Salomé.
    Sie schnurrt. Wunderbar. Schläft ein. Ich schlafe ein. Kostek schläft ein. Ich fast. Opiummäßiges Abgleiten, ich gleite hinab, in die honigsüße, übelzuckrige Karamellmelasse.
    Die Tasche ist weg. Und plötzlich kommt alles wieder, brandet mich an, o Gott, gütiger Gott, der du bist, und du, Gott, den es gar nicht gibt, o Teufel, alles greift mich an wie eine Panzerdivision, und plötzlich finde ich die Kraft in mir, ich weiß alles und beherrsche alles: die Aktentasche der Dickwanst die Adresse die Pistole, Fotos Orgien Bacchanalien Iga Jacek Krankenhaus, Morphin Hela Jureczek mein Süßer und Guter, Zukunft des Volkes Schwiegervater, Nationaldemokraten Korporation Welecja, Mietshaus Puławska Madalińskiego Rostańskiego Żórawskiego, Handel Bargeld Abheben Sparkasse, Erlöserplatz Łubieńska Jarosław und die schöne Hand, Aktion Okkupation Konspiration Registrierung, Lours Ziemiańska Garküche Suppe nahrhaft Regiments Stall, und alles. Alles. Alles erfasse ich mit meinem Geist, beherrsche alles. Habe Kraft.
    Kostek weiß nicht, dass er keine Kraft gefunden hat. Ich bin es, die sie ihm gab, ich habe ihn damit erfüllt. Und woher nehme ich sie, woher habe ich sie?
    Ich sehe mich in der Wohnung um. Salomé schläft, nackt, entblößt neben mir Entblößtem. Die Beine ausgestreckt, der Spalt der weißen Pobacken, im schwarzen Dickicht verborgen die weichen Falten der unheilvollen Scham, Kern der Dunkelheit.
    Auch ich nackt, mein Glied wie eine tote Ratte. Der Gestank menschlicher Körper legt sich in einem schlechtbeheizten Zimmer anders als in brütender Hitze und ist unangenehmer. Ich setze mich im Bett auf, wende mich von Salomé ab.
    Jetzt also der Plan, ein Offizier handelt immer nach Plan.
    Erst einmal anziehen.
    Wie kalt es ist, keine Kohle in Warschau.
    Hemd zugeknöpft, Krawatte gebunden, Schuhe geschnürt, Hosenträger festgezogen, die Weste zu ohne den unteren Knopf, das Jackett scheußlich zerknittert, was will man, ist Krieg, wer wird über eine zerknitterte Jacke weinen. Der Schlagring auf dem Boden, in die Tasche. Wie weiter? Die Aktentasche. Nach der Tasche – Iga. Iga – auf den Fotos in Salomés Mappe. Aber zuerst – die Tasche, darin das Paket.
    Ich muss herauskriegen, wer die Lemberger Kanaille ist und wo ich sie finden kann.
    So geht ein Offizier vor, und so bin ich auch: rational, beherrscht, ruhig.
    Salomé ist die einzige potenzielle Informationsquelle über die whereabouts der Kanaille, wie die Engländer sagen. Whereabouts, schönes Wort, Kanaille, Szczepcio und Tońko in einem fetten Leib, verflucht, die Hölle soll ihn … Wie sagen die Engländer?
    Nein. So geht ein Offizier nicht vor. Nicht hinreißen lassen von Emotionen. Jetzt bin ich Offizier. Der Reserve, aber immerhin. Reserveleutnant Konstanty Willemann, Neuntes Regiment der kleinpolnischen Ulanen, vierte Schwadron, Führer des dritten Zuges, ausgezeichnet mit dem Tapferkeitskreuz.
    Angezogen bin ich schon. Gut. Der Plan: Wo ist die Kanaille? Von selbst sagt Salomé es nicht.
    Terror. Genau.
    Die Küche, ein Küchenmesser, es gibt keins, dafür das Hackebeil, auf dem Boden liegt das Hackebeil Solingen, mit dem der Dickwanst mich umbringen wollte, was Salomé nicht zuließ. Mit dem Hackebeil breitbeinig auf Salomé zu. Plötzlich wird mir übel, und ich kotze, wende mich weg, erbreche auf den Fußboden, weiß selbst nicht, was, Reste von etwas Halbverdautem, Galle, Schwindel, ich stütze mich auf das Bett, sitze breitbeinig auf dieser schönen, gemeinen Hure.
    Sie wird wach, dreht sich auf den Rücken, wie eine Schlange, die sich in der feuchten Hand windet, als hätte ich überhaupt keine Macht über sie. Nackt, schön, ihre vollen Brüste ergießen sich wundervoll

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