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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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hübsche Sätze für die Kurzbiographien in Enzyklopädien und biographischen Nachschlagewerken zurechtlegten, angeblich soll das letzte Flugzeug Befehle gebracht haben, Befehle von Rydz aus dem fernen Rumänien, und dann wieder zum Regiment, und da taucht die Idee auf, Waffen zu vergraben, von mir die Anregung: bei den Nazarethschwestern. So schön wie im Roman, Waffen im Kloster verstecken. Zwar ist es zugleich eine Schule, und das ist schon weniger wie aus dem Roman: Darf man das Leben von jungen Mädchen aufs Spiel setzen?
    Aber es bleibt bei den Nazarenerinnen. Der kleine, schnauzbärtige Ksyk will davon nichts wissen, wie denn, Waffen vergraben, er wird mit der Waffe sterben, nicht sie vergraben. Mit dem Rest werden wir uns einig, zu Rudnicki kein Wort, wozu auch.
    Eine Kiste wird aufgetrieben, sehr passend, aus Blech, dann lange Diskussionen: Was kommt rein? Für den Krieg, für den Partisanenkampf oder für die Konspiration? Am Ende gibt jeder ein bisschen nach, Gewehre kommen nicht hinein, schade um den Platz, dafür drei Maschinenpistolen, ein paar normale Pistolen, jeder, was er hat, ein paar Vis, einige Parabellum, darunter meine, mit langem Lauf, eine Spanierin und eine große, dreizehnschüssige Browning, wir suchten sie so aus, dass alle vom Kaliber neun waren, nur von den Neunern hatten wir noch einige Schachteln. Bielecki beharrte darauf, ein paar Damenpistolen dazuzulegen, Sechser und Siebener, die man bei der Arbeit in der Tasche tragen könnte, im Untergrund sehr nützlich, wie ihm alte Kämpfer der Polnischen Militärorganisation POW gesagt hatten. Also legten wir einige Damenwaffen dazu, hauptsächlich Astra und Walther, Munition dafür war wenig da. Dazu Granaten. Auch ein langes Panzerabwehrgewehr wollten wir verstecken, nagelneu, das hatten wir erst bei der Mobilmachung bekommen, es passte aber nicht in die Kiste, also beschlossen wir, es einzeln zu vergraben, lange würde es sich nicht halten, aber egal, wir schmierten es mit Fett ein, wasserdichte Zeltplane, eine Schnur, Fett und noch eine Zeltplane, vielleicht hält es sich.
    Damit hatten wir jedenfalls erst einmal zu tun. Ein paar Ulanen wurden zu Hilfe geholt, unter Eid feierlich in das Geheimnis eingeweiht, die Kiste zugelötet. Dem Eid traute natürlich niemand, deshalb wählten wir welche aus, die sowieso nach Trembowla zurückgehen würden, über die sowjetische Grenze, zu ihren Familien. Mit dem Łazik fuhren wir das zu den Nazarethschwestern in die Czerniakowska. Die Ordensfräulein natürlich entzückt, gewisse Befürchtungen, aber eher so pro forma, wenn Ulanen bitten, so schön, charmant, Offiziere, im Namen der Republik, da kann man nichts abschlagen, den Schwestern zitterten die Knie wie jeder Polin beim Anblick eines Ulanenoffiziers, aber selbstverständlich, sie stimmen zu: Im Garten heben wir eine Grube aus, die Kiste hinein, zugeschüttet, es ist Nacht, wir stehen über diesem Loch, als wollten wir darin einen Leichnam bestatten, stehen da in unseren grünen Uniformen, die Tresse schlängelt sich am Hals, Leinen, Gürtel, Schulterriemen, Pistolenhalfter, Kartenmappen, Offiziersstiefel, Sporen, Vierecksmützen und Vorhäute, alles so, als scheiterte wieder mal ein Aufstand, eine Insurrektion, und wir, die polnischen Offiziere, vergrüben Waffen für die Zukunft.
    Vielleicht war es ja auch so, vielleicht waren diese einundzwanzig Jahre Polens nichts anderes als eine verlängerte Insurrektion, sagen wir da melancholisch, Ksyk ist nicht unter uns, übertönt uns nicht mit seinem burschikosen Getöse. In dem Moment fühlte ich mich als Pole, ich war Pole. Danach verlegten sie unser Regiment in die Pius- XI , dann die Kapitulation, Ksyks Ausrasten, er will eine Schwadron nehmen und sterben, nach heldenhafter Einnahme der feindlichen Stellung. Vielleicht will er das auch nicht, hält es nur für angebracht, dass der Offizier dergleichen wolle. Rudnicki redet ihm das aus, Ksyk rupft an seinem Kragen, als wollte er die Ösen zerreißen, rauft sich den Schnauzbart. Rittmeister Chochoł sagt, auch er werde die Waffe nicht niederlegen, werde sich mit anderen Freiwilligen nach Rumänien durchschlagen, nach Süden, und Rudnicki befiehlt mir, nach Hause zu gehen, zivile Klamotten anzuziehen – so spricht er von meiner Kleidung, Klamotten! –, und ermahnt mich nur: Willemann, ich entlasse Sie nicht als Soldat, ich entlasse Sie, damit Sie weiterhin Soldat bleiben, an einer anderen Front kämpfen. Ihre Fähigkeiten, Herr Willemann, sind

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