Morphogenesis
spürte ich einen heftigen Schlag gegen den rechten Oberschenkel, und das Bein wurde taub. Ich warf einen Blick über die Schulter. Ein beachtliches Loch klaffte hinter mir im Synagogendach, dahinter erkannte ich drei lichterloh brennende Gestalten, die ihre MGs auf mich richteten. Sie schrien vor Schmerzen, doch das sie versengende Feuer hinderte sie nicht daran, mir nachzustellen und auf mich anzulegen. Als die Gewehre erneut begannen, mir ihre tödliche Fracht entgegenzuspucken, ließ ich mich fallen. Mehrere Geschosse durchsiebten meine Arme und drangen in meinen Rücken, dann spürte ich einen ungeheuren Schlag gegen den Hinterkopf und verlor das Bewusstsein.
Langsam verließ die Taubheit Kas schmerzende Glieder. Der Stromstoß, den die fluoreszierende Wand abgegeben hatte, hatte ihn nur für Sekunden außer Gefecht gesetzt. Unangenehmer war, dass er den Infusionsständer mit sich zu Boden gerissen hatte. Nun war bei einem der beiden Beutel die Tropfkammer defekt, und die Menge an Flüssigkeit, die sein Körper aufnehmen sollte, ließ sich nicht mehr regulieren. In Kürze würde Ka einen neuen Beutel mit grüner Infusionslösung benötigen.
Gleichgültig beobachtete die Schwester, wie Ka sich wieder auf die Beine quälte. »Sie können sich nicht vorstellen, wer das ist?«, erkundigte sie sich in Anspielung auf den riesigen Körper, den er hinter der Glaswand erblickt hatte.
»Ich konnte das Gesicht nicht erkennen …«
Die Schwester schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Sie begreifen es einfach nicht …«
»Verzeihen Sie«, flüsterte Ka. »Ich bemühe mich, aber ich habe das Gefühl, als fehle mir eine wichtige Fähigkeit, um es zu verstehen.« Er sah eine Weile gedankenverloren zu Boden. Dann fragte er: »Sagen Sie, als ich hier eingeliefert wurde, hatte ich da eine Gehirnverletzung?« Die Schwester verzog die Mundwinkel und machte sich Notizen. »Werde ich bleibende Schäden davontragen?«, bohrte er weiter.
»Sie sind ein seltsames Exemplar Ihrer Gattung, Mister Ka«, befand die Frau. »Keine Sorge, Ihre Hirnfunktionen sind nicht beeinträchtigt. Vielleicht werden wir ja in Raum 24993 fündig. Kommen Sie mit nach nebenan, ich zeige Ihnen unsere Menagerie.«
Der vergleichsweise winzige Raum, in den die Schwester ihn führte, war quadratisch und fast vollkommen leer. Zwei Türen an jeder Wand ermöglichten den Zu- und Ausgang. Über den Querbalken hingen gnomenhafte Figuren, die Ka auf den ersten Blick an holzgeschnitzte Wasserspeier erinnerten. Die Schwester blieb schweigend zurück, als er sich einer der Figuren näherte. Zwei, drei Schritte lief er, dann blieb er erschüttert stehen – denn das Geschöpf über der Tür lebte! Aus fiebrig hervorquellenden Augen folgte ihm der Blick der unglücklichen Kreatur. Sie besaß keine spezifischen anatomischen Merkmale; ihr Kopf war haarlos, das Gesicht glatt und ohne individuelle Züge, der Rumpf geschlechtslos. Arme und Beine waren ihr in widernatürlicher Weise hinter den Rücken gebogen worden, lange, durch Hände und Füße getriebene Nägel fixierten ihre Extremitäten am Türsturz. Ein mächtiger Eisenstift drang von unten durch das Kinn in den Schädel, trat zum Hinterkopf wieder aus und verschwand im Holz des Querbalkens, sodass es dem Wesen unmöglich war, sich zu bewegen. Weitere Nägel ragten aus seiner Brust und seinem Unterleib. Insgesamt zählte Ka dreizehn Metallstifte, die durch das Fleisch getrieben waren und die Kreatur an ihren Ort bannten. Die sieben übrigen Geschöpfe teilten das gleiche Schicksal.
»Es sind keine Menschen«, banalisierte die Schwester die scheinbaren Qualen der Kreaturen.
»Aber sie leiden!«, erregte sich Ka. »Wie kommt es, dass sie noch leben – bei dieser Folter?«
»Sie leben nicht. Was Sie sehen, sind Psychogone; ektoplasmische Behälter für instruktive Energie als Werkzeug eines jeglichen Willens. Sie fühlen keine leiblichen Schmerzen. Ihre Qual ist mehr psychischer Natur, doch sie ist kurz und erträglicher als körperliches Leid. Wenn wir mit ihnen fertig sind und die gewünschten Informationen besitzen, schicken wir sie wieder zurück und rufen neue. Wollen Sie wissen, wie sie funktionieren? Öffnen Sie eine Tür …«
Ka wandte sich angewidert ab. »Gehen wir zurück nach draußen. Ich brauche frische Luft.«
»Zurück?« Die Schwester blickte ihn ausdruckslos an. »Von hier gibt es kein Zurück, Mister Ka. Für Sie geht es nur weiter voran, an Ihren Platz.« Sie machte eine alles
Weitere Kostenlose Bücher