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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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weiblicher Golem?!«
    »Der vierte Missgriff innerhalb ejnes Monats …« Meliosch schwieg, und es war ihm anzusehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. »Nun, viellejcht hast doch Recht«, entschied er schließlich. »Ich werd dich beglejten, aber nur bis zur Shul. Ich hob a Idee …«
     
    Die besagte Mauer erwies sich als ein schier unüberwindbares Hindernis von fast zwanzig Metern Höhe, das zudem kilometerlang von Stacheldraht gekrönt wurde. Rechter Hand schloss die mächtige Synagoge an, aus deren Innerem ich furchtbare Schreie zu hören glaubte. Andererseits war die Stadt voll von absonderlichen Geräuschen, sodass ich mich auch täuschen konnte. Die Wand des Gebetshauses war auf den ersten zehn Metern ebenso fugenlos wie die mächtige Mauer zum angrenzenden Sektor. Erst in einer Höhe von sechs Metern verlief ein schmaler Sims, von dem aus ein geschickter Kletterer die Fugen zwischen mächtigen Steinquadern nutzen und bis zu einer Reihe schmaler, hoher Fenster emporklettern konnte. Dort war es möglich, sich auf das Walmdach hinaufzuziehen, von wo aus es ein Leichtes sein musste, bis zum Scheitel der Mauer zu klettern. Es sei denn, es tauchte jenseits meines steilen Blickwinkels noch ein Hindernis auf, das ich von meiner Position aus nicht erkennen konnte.
    Linker Hand ragte ein vollkommen fugenloses Gebäude in den grauen Himmel, ohne Simse oder Pfeiler, die man zum Klettern hätte benutzen können. Nicht einmal Fenster wies das Bauwerk an dieser Seite auf. Blieb also nur die Synagoge. Doch wie auf den Sims gelangen?
    »Es ist zu hoch«, erkannte ich. »Selbst wenn ich mich auf deine Schultern stelle, erreiche ich den Sims nicht.«
    »Netvon mejnen Schultern aus …«, murmelte Meliosch. Es war ihm anzusehen, dass er sich alles andere als wohl fühlte in seiner Haut. Sein Blick war zum Ausgang der Sackgasse gerichtet, als bange er, eine Horde Soldaten könne jeden Moment heranstürmen. »Gott vergelts, wos ich hier tu!«, jammerte er, wie um die Stimmung noch bedrückender zu machen.
    »Warum verschwindest du nicht?«, riet ich ihm. »Mir werden sie nichts tun, wenn sie sehen, dass ich nicht hierher gehöre.«
    »Es geht gar net um de Landsknecht«, entgegnete Meliosch. »Ich wart uff Ada! Von ihren Schultern aus wirste de Sims errejchen.« Er drehte sich zu mir um. »Falls uns de Bluthunde net wittern un ihr zuvorkemme.«
    Ich sah durch die Gasse auf den vor uns liegenden Straßenzug und begann zu schwitzen. Chroner säumten die Hausdächer wie Samurai einen Bergkamm vor dem Angriff.
    Meliosch hob den Kopf, als lausche er, und verkündete: »Se wird glej hier sejn …«
    Schwere, rasch lauter werdende Schritte erklangen von weit her, als nähere sich uns ein Riese in voller Rüstung, dann erschien ein mächtiger Schatten am Eingang der Gasse und stampfte donnernd und mit klauenartig vorgestreckten Händen zielstrebig auf Meliosch zu. Ich stieß einen Laut des Entsetzens aus, als der über zwei Meter hohe Koloss auf uns zutrampelte. Der Schreck lähmte meine Glieder. Wenige Meter, bevor die mächtigen Pranken des Golems zupacken konnten, hob Meliosch beide Arme und rief mit angsterstickter Stimme: »Dum wa-limdu chochmah!« [11]
    Es wirkte, als sei die Kreatur gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Reglos und im Schritt erstarrt, stand sie eine Armlänge von Meliosch entfernt auf der Stelle. Erst als ich genau hinsah, bemerkte ich, dass der Golem sich noch immer bewegte – unmerklich langsam vollendete er den Schritt, um wie in Zeitlupe weiter auf sein Opfer zuzumarschieren.
    Meliosch ließ zögerlich die Arme sinken und sprach mit bebender Stimme: »Nun rat! Lettern zehl ich nejn; viersilbig bin ich. Merk: Von de ersten drej Silben hot zwej der Lettern jejde, aber de vierte hot drej. Fjnf Lettern sind Mitlauts. Bild de Summe der Zahlen – du findest zwejmal achthundert, drejmal drejßig dazu un sieben. Hast mejn Wesen nunmehr erkannt, so hast Teil an gettlicher Wejsheit!«
    Der Golem stand nun endgültig still, wirkte wie ein Untergebener, der einen Befehl erwartet.
    »Was hat sie?«, fragte ich aus der hintersten Ecke der Sackgasse.
    »Se denkt nach«, erklärte Meliosch. »Ada tut elles, um an de Weisheit zu gelangen, die ihr fejlt, um Frieden zu finde. Solang se net uff de Lejsung des Rejtsels kommt, ist se mejne Dienerin. Doch se ist klug, wir hob’n net viel Zejt!«
    Das Geschöpf sah aus wie eine monströse, muskelbepackte Pharaonin. Alles an Ada bestand aus grauem Lehm, selbst ihre Kleidung war

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