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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ungewöhnlich leicht, aber es war trotzdem eine schweißtreibende Arbeit, ihn durch den engen Gang zu schleifen. Schließlich, wenn auch widerwillig, zogen ihn sein Bruder, der den Eingang bewachte, und drei weitere Arbeiter nach oben.
    Zurück an der Wand zur Grabkammer, richtete ich den Strahl meiner Taschenlampe durch das Loch im Gestein, doch er verlor sich in der Dunkelheit. Die Öffnung war zu schmal, nichts war zu erkennen. Wie groß musste das dahinter liegende Gewölbe sein, wenn die hineinschießende Luft über zwei Stunden benötigte, um das Vakuum durch ein faustgroßes Loch aufzufüllen? Größer jedenfalls als alle Grabkammern, die bisher gefunden worden waren.
    Unermesslich größer …
    Während Károly sein Werkzeug dort ansetzte, wo der tragische Vorfall sein Tun unterbrochen hatte, begann ich an dem von Rahmed geschaffenen Durchbruch weiterzumeißeln. Bereits nach kurzer Zeit hatten wir ein ansehnliches Halbrund geöffnet. Die Scheintür besaß eine Stärke von annähernd fünfzehn Zentimetern. Entlang der Kreidemarkierung meißelten wir eine Bruchkerbe und vertieften diese so weit, dass das Felsstück nach einer weiteren halben Stunde nur noch locker in der Mauer saß. Ehe wir es jedoch verhindern konnten, neigte sich die Platte und kippte nach hinten in die Dunkelheit. Sie traf hinter der neuentstandenen Öffnung auf harten Fels. Die darauffolgende Stille währte nur Sekunden, dann erklang abermals das Getöse aufschlagender Felsbrocken – entfernt und von sehr weit unten.
    In mir krampfte sich alles zusammen. Hinter dem Siegel ging es in die Tiefe, enorm in die Tiefe! Ich warf einen Blick auf Károly, der jedoch keinesfalls so beklommen wirkte, wie ich mich augenblicklich fühlte.
    »Die Höhenangst?«, wollte er wissen.
    »Nur eine kleine Panikattacke«, gestand ich. »Legt sich sofort wieder.«
    Gemeinsam leuchteten wir in die Schwärze jenseits der Öffnung. Etwa zwanzig Meter entfernt befand sich eine geschwungene, schmucklose Wand, die fünf Meter höher in eine Kuppel überging. Wir ließen die Strahlen unserer Lampen wandern und schälten ein kreisrundes Gewölbe aus der Dunkelheit, dessen Wände eigenartig schimmerten. Weder Wandschmuck, noch Malereien oder Reliefs waren zu erkennen, nur glattes Gestein. Und der Boden …?
    Es gab keinen!
    Ich beugte mich durch die Öffnung und leuchtete hinab, aber dort war absolut nichts zu sehen. Der Strahl meiner Lampe verlor sich nach fünfzig Metern in der Tiefe. Gähnende, finstere Leere. Ich ließ mich zurücksinken und setzte mich mit hämmerndem Herzen in den Schutt, während nun Károly seinen Oberkörper durch die Öffnung streckte, um der Dunkelheit ihre Geheimnisse zu entreißen.
    »Jesus Christus!«, keuchte er, und mit Anspielung auf die Reichweite unserer Taschenlampen: »Das sind mindestens achtzig Meter bis nach unten.«
    Ich schüttelte nur den Kopf. »Der Schlot …«, murmelte ich mit dünner Stimme.
    Károly zog seinen Kopf wieder zurück. »Was?«
    »Sie haben den Vulkanschlot angegraben. Darum haben sie die Öffnung wieder verschlossen und den Stollen zugeschüttet … Ja, so muss es gewesen sein … Die Hitze hat den Sauerstoff auf der anderen Seite verbrannt und die Lava alle Ritzen und Spalten überdeckt. Dann hat sie sich in die Tiefe zurückgezogen und dabei ein fast vollständiges Vakuum geschaffen, so, als würde man bei verschlossener Kanüle den Kolben einer Spritze herausziehen …« Ich starrte Károly an. »Dort drüben geht es womöglich kilometerweit in die Tiefe … kilometerweit …!«
    Károly atmete tief durch und fuhr sich mit der freien Hand hektisch durch die Haare. »Wozu sollte ein archaisches Wüstenvolk einen aktiven Vulkan anzapfen?«, brummte er. »Um Erdgas zu fördern? Oder um einen Swimmingpool zu beheizen? Tu mir bitte einen Gefallen und komm wieder zurück auf den Teppich, Hype.« Dann zwängte er seinen Oberkörper erneut durch die Öffnung. »Also wenn du mich fragst … oh … ah …!« Ich hörte ihn stöhnen und sah entsetzt zu, wie er sich durch das Loch zwängte. Zuerst zappelten seine Beine in der Luft, dann nur noch die Füße, und schließlich war er verschwunden. Nach Augenblicken lähmender Stille schoss der Strahl seiner Lampe zu mir heraus.
    »Hier ist eine Treppe«, rief Károly durch die Öffnung. »Sie führt an der Wand entlang in die Tiefe.« Und eindringlich fügte er hinzu: »An einer gemauerten Wand.«
    Mein Herz begann wieder zu schlagen. »Kannst du erkennen, wohin sie

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