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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Unterleib direkt in Demuarsells erhobene Fangzangen. Ihre Scheren schlossen sich um mein Glied und drückten zu.
    »Jammerschade«, säuselte der Spinnendämon. »Was meinst du: Wird dein gutes Stück wieder so prächtig nachwachsen, oder sind die Nanomaschinen deines Schwanzes nicht so genau über seine Länge informiert?«
    »Was soll das?«, keuchte ich. Meine Hand wanderte in meine rechte Hosentasche.
    »Elijah hat mir aufgetragen, auf dich aufzupassen, solange du im Delirium durch den Turm irrst. Interessant zu beobachten wie schwachgeistig ihr Menschen doch seid …«
    »Ich wäre auf der Brücke beinahe den Chronern in die Rebaschen gelaufen …«
    »Ja, und?«, entgegnete Demuarsell. »Mir wär’s recht gewesen. Schließlich warst du ja nicht mehr im Turm. Und jetzt geh schön brav wieder raus und hol den Teppich zurück!«
    »Zum Teufel mit dir!« Ich riss den kleinen Metallbügel aus der Tasche und drückte das Kristallende gegen Demuarsells Kieferklauen. Die Waffe drang durch den Chitinpanzer wie ein Drillbohrer in eine alte Matratze. Die Spinne stieß einen schmerzvollen Pfiff aus, öffnete die Kiefer und machte einen Satz nach hinten. Dann ergriff sie die verletzte Klaue und riss sie sich kurzerhand aus dem Kiefer. Die Fangzange klackerte über den Boden und löste sich dort restlos auf. Für einen Augenblick abgelenkt, nahm ich Demuarsells heranzuckendes Bein zu spät wahr. Ein harter Schlag traf meine rechte Hand, dann sah ich Elijahs Waffe und zwei meiner Finger davonfliegen. Während mich der Schmerz überwältigte, fing die Spinne den tödlichen Metallbügel noch im Flug auf. »Pashak, das hättest du niemals tun dürfen!« Sie schnellte nach vorn und stieß mich zurück gegen die Eingangstür, dann wirbelte sie herum und verschwand in der Dunkelheit der Korridore.

 

     
     
     
    Kein Tun, noch Berechnung, noch Erkenntnis, noch Weisheit ist im Scheol.
    Die Toten aber, sie erkennen nichts, und kein Lohn ist ihnen noch weiterhin,
    denn vergessen ist ihr Gedenken.
     
    Aus der Thora

 

     
     
    Ich fand Elijah wenige Etagen oberhalb des Eingangsbereiches beim Aufräumen eines Schlachtfeldes aus Büchern. Der Rabbiner wirkte verärgert, denn das Spazierentragen des Teppichs war offenbar nicht meine einzige Kapriole gewesen. Anscheinend hatte ich mich während meines Pejote-Trips im gesamten Turm herumgetrieben. Mein Gebaren war schließlich dermaßen ausgeufert, dass Elijah sich genötigt sah, mir Demuarsell als Aufpasserin an die Fersen zu heften. Ein zweifelhaftes Vergnügen.
    »Das wird sie niemals auf sich sitzen lassen«, prophezeite er, nachdem ich ihm unsere gewaltsame Auseinandersetzung geschildert hatte. »Ihr solltet Euch fortan vor ihr in Acht nehmen. Besitzt Ihr noch den Energiezylinder?«
    »Sie hat ihn mir abgenommen.« Ich zeigte ihm die Handwunde mit den abgerissenen Fingern.
    »Bedauerlich«, erklärte der Rabbiner. »Aber so ist sie nun mal. Da ich es war, der Euch die Waffe gab, wird sie mich dafür wohl zur Rechenschaft ziehen. Dürfte ich in Anbetracht dieses Chaos vielleicht erfahren, welche Phantasmagorien Euch heimgesucht haben?«
    Ich schilderte ihm meine Fahrt hinab in die Tiefe. Den drei Byron-Klonen und der bizarren Kreatur hinter dem Fenster maß Elijah keine besondere Bedeutung bei. Erst meine gespenstische Begegnung mit Meret ließ ihn aufhorchen.
    »Sie hätten sie nicht öffnen sollen«, wiederholte der Rabbiner nachdenklich ihre Worte. »Sie niemals befreien, ihre hungrigen Legionen …« Er strich sich durch den Bart und flüsterte: »Ja, die Legionen, die Legionen …« Seine Augen huschten über die Bücher, als verfolgte er mit Blicken ein flinkes, unsichtbares Insekt. »Sehr kryptisch, fürwahr, aber … ja, da könnte etwas dran sein …« Er eilte zu einer Leiter und trug sie ein paar Meter weiter. Kaum war er hinaufgeklettert und hatte das gesuchte Buch an der richtigen Stelle aufgeschlagen, erhob er seine Stimme und las: »Aber das Weib hob jezo den mächtigen Deckel, rüttelte dann, dass den Menschen hervorging Jammer und Trübsal. Zahllos fuhr zu ihnen der Leiden Gewimmel.« Er kletterte von der Leiter herab und fuhr fort: »Voll wurd’ rings vom Bösen die Erd’, und voll auch die Meerflut. Auch Krankheiten genug, bei Tage sowohl wie bei Nacht, nah’n ungeraten von selbst, und bringen den Sterblichen Böses. So war keinem vergönnt, zu entflieh’n Zeus’ waltender Vorsicht.«
    »Das war ein Ausschnitt aus Hesiods Werke und Tage«, erkannte ich.

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