Morphogenesis
emporgestiegen. Ein hintergründiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er zu uns heraufsah. Über seiner rechten Schulter hing schlaff ein Lederrucksack.
Ich trat vor den Treppenabsatz und versperrte ihm den Weg. »Wo warst du?«
»Oho, ein kleiner Anflug von Überheblichkeit?«, schmunzelte Byron.
»Antworte!«
»Ich hatte ein Stelldichein mit unserem Freund Archon.«
»Sehr witzig.«
Byron zog den Rucksack von der Schulter und ließ ihn vor meiner Brust hin und her pendeln. »Erkennst du ihn?«
»Was treibst du für ein Spiel?«
»Ich wollte wissen, ob du tatsächlich ein Iretmeth bist«, erklärte der Schwarze. »Tja, du bist es. Hier drin steckt der Beweis.«
»Und Archon hat ihn dir bereitwillig überlassen.«
»Nein, eigentlich nicht. Ich musste ihn dazu überreden …« Er hob vielsagend die Augenbrauen.
»Wie kommt Archon überhaupt hierher?«
»Kreuzbeißer hat unser Treffen … wie soll ich sagen? Arrangiert.«
»Kreuzbeißer?«
»Die Aufseher machen mobil«, verkündete Byron. »Der Zyklop auf der Brücke hat dich gefilmt. Jeder Chroner der Stadt weiß nun, dass du dich hier im Turm versteckst.«
»Du meinst wohl, dass wir uns hier verstecken.«
»Oh, ich bin inzwischen aus dem Schneider.« Der Schwarze lächelte kühl. »Es geht einzig und allein um dich.«
Ich verzog abfällig die Lippen. »Sehr gewieft, Seemann. Und was erhältst du für deinen Judaskuss? Ein neues Kostüm?«
»Freies Geleit.« Byron kam ein paar Stufen höher. »Sorry, mein Freund, aber ich spiele dieses verdammte Spiel schon ein wenig länger als du. Es nennt sich: fressen oder gefressen werden. Und ich bin bereits viel zu oft gefressen worden. Irgendwann habe ich Prioritäten gesetzt. Wie ich schon sagte, ich handele vornehmlich aus Eigennutz. Aber du hörst ja nie zu. Du hast mir von Anfang an nicht zugehört!«
»Und da besitzt du tatsächlich den Schneid und tauchst noch einmal hier auf?«
»Ich gebe dir die Chance, deinen Ägyptologenarsch zu retten.«
»Und er?« Ich deutete auf den Rabbiner.
»Das ist Angelegenheit der Chroner«, entschied Byron. »Er ist ein Deserteur, wie du. Aber er ist kein Iretmeth.«
Ich schüttelte widerstrebend den Kopf. »Womit willst du dich freikaufen? Mit Archons Wegezoll?«
Byron lachte auf. »Nein, dieses Kleinod hier ist eigentlich für dich bestimmt.« Er warf sich den Lederbeutel wieder über die Schulter, hob die Arme, machte eine entschuldigende Geste und sagte: »Damit.«
»Der Turm?« Ich tauschte einen bestürzten Blick mit Elijah. »Du willst ihnen den Turm öffnen?«
»Es geht um weitaus mehr als diesen Turm und das Archiv«, erklärte Byron. »Es geht um die Fabrik.«
»Für die Existenz dieses Ortes gibt es keinerlei Beweise«, rief Elijah von der Balustrade herab.
»Meinst du, alter Mann?« Byron wandte sich dem Rabbiner zu. »Woher rührt dann das Kraftfeld, das Eure Zuflucht umgibt?« Und wieder an mich gerichtet: »Kein Stadtwesen würde es je wagen, auch nur einen Zeh hinab in die Fabrik zu strecken. Dort unten wärst du sicher, bis die Chroner davon überzeugt sind, dass du dich nicht mehr im Turm versteckst.«
»Moment, langsam«, sagte ich. »Woher weißt du von der Fabrik?«
»Ich habe nachgeforscht. Oder glaubst du, ich hätte meine Zeit einzig damit verplempert, die Ergüsse von de Sade zu lesen? Dieser hässliche, verkohlte Turm ist eines der ältesten Gebäude der Stadt, vielleicht sogar das älteste überhaupt. Vor Jahrtausenden erhob er sich über einer unterirdischen Anlage, in der versucht wurde, Gott zu spielen – mit fragwürdigem Erfolg, wie du siehst. Wir stehen über der Stätte, an der alles begann. Dein Freund Elijah hat für seine Zwecke den einzigen Ort entweiht, der den Kreaturen dieser Stadt heilig ist: die Wiege ihrer Schöpfung.«
»Ist das wahr?«, fragte ich Elijah. »Die Nano-Fabrik befindet sich direkt unter unseren Füßen?«
Der Rabbiner schwieg grimmig, dann wandelte sich seine Unmut in Resignation. »Ich ahnte von Anfang an, dass Ihr nicht allein des Unterschlupfs wegen gekommen seid, Bruder Maske«, brummte er.
»So verfolgt doch jeder seine eigenen Ziele, nicht wahr?«, gab Byron zurück.
»Du verkaufst unsere Haut für einen Chronertempel«, warf ich ihm vor.
»Die Grundlage meiner Existenz«, konterte der Schwarze.
»Verrat?«
»Wissen.« Byron blickte mich herausfordernd an. »Und die Macht, die damit einhergeht. Das hat unser alter Freund Elijah trotz seines langen Aufenthaltes in diesem Turm
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