Morphogenesis
Greifarm aus dem Maschinenwesen heran und entriss mir den silbernen Stift.
Während ich unverwandt auf das riesige Metallding starrte, gab plötzlich der Boden unter mir nach, und ich stürzte kopfüber in die Tiefe. Von außen sah der Parabolid immer noch schwarz und massiv aus. Das war das Letzte, was ich erkannte, bevor ich auf dem Turmdach aufschlug.
Leicht schwebte Ka durch die Nacht, glitt über eine sanft abfallende Wiese dahin, dann hinein in eine Häuserschlucht, einem immer greller werdenden Licht entgegen. Er hörte ein Hupen, lauter und lauter, dann das Quietschen der über den Asphalt radierenden Reifen und das laute Bersten von Blech. Ein unbarmherziger Schlag erschütterte seinen Körper, schleuderte ihn durch die schwülwarme Luft …
Schreiend und mit abwehrend ausgestreckten Händen schreckte Ka auf. Seine Finger spreizten sich im Krampf, das Fleisch zwischen ihnen platzte wie mürber Gummi und hinterließ tiefe Risse in der Haut. Er schlug sich mit den Fäusten gegen die Schläfen, worauf die Schädelwunde noch weiter aufklaffte. Eine breiige, farblose Substanz verteilte sich auf seinen Handknöcheln. Angstvoll starrte Ka in die Dunkelheit. Seine Hände zitterten, wanderten wie hungrige Asseln über den staubigen Boden. Seine Finger ertasteten die Scherbe eines Spiegels, zogen das Bruchstück heran und hoben es vor sein Gesicht. Er starrte in seine Augen. Ein düsteres rotes Glühen glomm in ihnen. Ka kippte die Scherbe und folgte der Landschaft seines Gesichts. Seine Finger krallten sich um den Glassplitter, bis die scharfen Kanten tief in sein Fleisch schnitten. Kein Tropfen Blut trat aus den Wunden. Kas Blick wanderte über seine Stirn und verharrte auf der Narbengeschwulst, die sich von der Schläfe aus über die gesamte rechte Kopfhälfte zog. Vereinzelte Büschel borstigen Haares sprossen in dem verwachsenen Gewebe, und wenn er seinen Kopf zu weit nach vorn neigte, quoll bläulich-weiße Gehirnmasse aus den Öffnungen.
Wieder sah er die Scheinwerfer auf sich zurasen, dann folgte der unbarmherzige Aufprall. Die Scherbe barst mit einem trockenen Knirschen, und Kas Spiegelbild explodierte zu Dutzenden von Splittern, die sich in seiner Hand und auf dem Boden verteilten. Die Schnitte in Kas Fingern reichten bis zu den Knochen. Er ballte die Hand zur Faust und hielt sie zitternd vor sein Gesicht, dann entspannte er sich wieder. Als er die Hand öffnete, waren die Wunden verschwunden und hässliche Narben an ihre Stellen getreten.
Lange starrte Ka seine Finger an – durch sie hindurch, bis er sich einbildete, ihre Knochen zu sehen. Er konnte nicht sagen, ob Stunden, Tage oder Wochen vergangen waren, seit er den Raum nicht mehr verlassen hatte. Was aus ihm geworden war, wusste er nicht, und er vermied es, darüber nachzudenken. Er konnte sich bewegen, konnte denken und reden, trotz der Verletzungen seines Körpers. Er atmete und fühlte Schmerzen – unvorstellbare, seelische Schmerzen. Und er empfand eine erbärmliche Angst um seine Existenz, die ihn in diesem Raum gefangen hielt.
Diese elende Angst vor der Wahrheit.
Die Erinnerungen an seine letzte Nacht in Kairo waren nach und nach zurückgekehrt, zuerst langsam, dann immer mächtiger und ungestümer. Tot!, hämmerte es schließlich hinter seiner Stirn. Du bist tot! Die Scharade ist endlich vorbei, willkommen ist der Wirklichkeit; deiner Wirklichkeit! Ankh en mitak, für immer und ewig!
Lediglich eine letzte persönliche Erkenntnis blieb Ka weiterhin verwehrt: das Wissen um seine Identität. Um seinen wirklichen Namen. Er hatte die Stimme in den Sternen angefleht, doch sie hatte sich in Schweigen gehüllt.
Warum hast du deine Maschine verlassen?, hatte sie ihn gefragt. War nicht sie es, die dich am Leben erhielt? War sie dir nicht Erzeuger genug? Warum hast du sie verlassen?
»Es war keine Absicht.«
Nein? Aus dem Sternenhimmel geisterte ein Lachen herab. Das behauptet ihr Menschen immer.
»Bringen Sie mich zu ihr zurück«, rief Ka empor.
Das kann ich nicht. Sie ist zu fern.
»Sind Sie nicht allmächtig?«
Die Maschine ist ein Ort der Heilung, Ka. Der letzte, der übrig geblieben ist. Der einzige, den du hattest.
»Heilung?« Er spuckte zu Boden. »Ein Tollhaus! Ein Ort der Folter und des Wahnsinns. Ein Siechenhaus, das das menschliche Leben verspottet.«
Der Garten ist den Menschen fern geworden. Es hat verlernt, wie sie fühlen …
»Und dafür muss mein Körper büßen?«, erboste sich Ka. »Um diesem wandelnden
Weitere Kostenlose Bücher