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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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worden war, auch just dies verhindert, und sein vorübergehendes Verlassen des Schiffes war gar kein unbeabsichtigter Transfer gewesen.
    Die Treppe, die vom Dach herabführte, hatte in eine große, verschachtelte Zimmerflucht gemündet, deren Fenster mit Brettern und Bohlen verrammelt waren, so wie auch der Ausgang zum Korridor. In dieser Höhe des Turms regierte mehr unappetitliches Leben als in jedem mir bekannten Sektor der Stadt. Am abscheulichsten waren die zahllosen Insekten, die jeden Winkel der Räume beherrschten. Da ich in meiner Umgebung keine bedrohlichen Kreaturen vorfand und ich nicht wusste, was unten im Turm vor sich ging, beschloss ich, mich bis Tagesanbruch hier oben zu verschanzen. Vielleicht würden die Chroner – oder was auch immer sich sonst noch im Turm aufhielt und offenbar nach mir suchte – irgendwann wieder verschwinden.
     
    So saß ich nun hier, in dieser verdammten Sackgasse des Universums, schlief, verzweifelte, kämpfte im Geiste gegen all das Grauen der Stadt, beobachtete die Insekten oder kauerte still in einer der Ecken. Ich ließ die Geschehnisse der letzten Wochen vor meinem inneren Auge Revue passieren, grübelte über mich, diese Welt, ihre Bewohner, ihren Sinn und Irrsinn – und in unverwüstlichem Optimismus natürlich auch weiterhin über einen Ausweg aus der Sphäre, zurück in mein so fern gewordenes irdisches Leben.
    Was aus Byron geworden war, wusste ich nicht. Gewiss hatte er sich auf seine alten Tugenden besonnen, tanzte in einem neuen Kostüm an irgendeiner Straßenecke und machte wieder gemeinsame Sache mit den Chronern.
    Wie lange ich letztlich in meiner Zuflucht ausgeharrt hatte, wusste ich nicht. Nach irdischen Maßstäben mochten es vielleicht zwei Tage gewesen sein. Die meiste Zeit verbrachte ich in einem irrealen Dämmerzustand zwischen Traum und Realität. Wenn ich träumte, war es, als konzentrierten die Myriaden von Nano-Robotern meines Körpers sich gemeinsam auf eine einzige beängstigende Paradoxie einer Vision: Ich starrte auf den Kreisel eines Roulette-Tisches, einen immer träger rotierenden Strudel aus Rot und Schwarz, worin eine weiße Elfenbeinkugel umhersprang und auf der schwarzen Fünfzehn zu liegen kam. Die mich umringenden Menschen verschwammen im Zwielicht, nur sie war deutlich zu sehen. Merets Augen leuchteten, und ich erkannte in ihnen eine unbändige Glut, die Nahrung suchte. Sie lächelte, doch ihre Konturen verblichen. Arme legten sich um sie, zogen sie hinüber auf die andere Seite, zu den Schatten.
    Lustlos verließ ich das Traum-Casino. Draußen herrschte Stille. Regen verwandelte den Asphalt der Straßen in Spiegelflächen. Über ihnen schwebten Engel, glänzende Erscheinungen, selbst im Untergang. Drinnen rollte die Kugel wieder. Für einen, für zehn oder für tausend. Und immer stand ein Engel bereit, um dem Licht entgegenzufliegen, das am hellsten brannte.
    Ich sah mich verstohlen um. Irgendwo in den Straßenschluchten kläffte ein Hund, Tanzmusik drang gedämpft durch die sich hinter mir schließende Tür. Es war ein angenehmes Gefühl, einfach zu kommen und zu gehen. Niemand erwartete mich, niemand vermisste mich. Ich war ein Schatten, der sich am Leben beteiligte. Irgendwo in dieser Sphäre zwischen Morgenrot und Abenddämmerung lauerte sie, verborgen und unnahbar.
    Mein Gang wirkte hölzern, meine Bewegungen automatisch. Ich achtete nicht darauf, wohin mich meine Schritte führten. Dann breitete ich meine Schwingen aus und flog. Als sich der Boden vor mir öffnete und ich in sein Leuchten sank, wehte engelsgleich ihre Stimme zu mir herab. Ich besaß nicht die Kraft, dem Strudel zu widerstehen. Es ging hinab, tiefer und tiefer. Das Licht nahm mich auf. Unter mir schimmerte Metall, erstreckte sich als stählernes Band, wie ein funkelnder Wasserlauf. Ich stürzte hinein, begann durch rote Flüssigkeit zu treiben. Aus der Ferne näherten sich formlose, verschwommene Gestalten. Sie kamen näher, flossen, quollen, übereinander, untereinander. Schoben sich ewig voran. Dann umhüllten mich ihre kalten Körper, und ich versank mit ihnen in Schmutz und Gewürm …
     
    Mit einem stummen Schrei auf den Lippen schreckte ich auf. Noch immer fühlte ich die Berührungen zahlloser kalter Hände auf mir, schlug meinen Kopf gegen die Wand, fester und fester, bis ich das Gefühl hatte, den Traum aus meinem Unterbewusstsein geschmettert zu haben. Nur widerwillig verging der Schmerz, verkroch sich hinter der Realität und wich düsterem

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