Morphogenesis
kein Pulsieren, und auch die riesige Uräusschlange erhob sich kein zweites Mal aus dem Staub. Geistesabwesend ließ ich den Reif in meiner Hosentasche verschwinden und begann anschließend, den Staub von meinen Ärmeln und Hosenbeinen zu klopfen.
»Wir gehen zurück nach oben«, entschied ich.
»Hype, ich halte das für …«
»Wir gehen!«
Károly atmete tief durch. »Okay«, meinte er dann. »Dein Projekt. Deine Entscheidung.«
»Nimm eine Staubprobe aus dem Torus«, bat ich ihn und ging hinüber zur Treppe. »Und auch von dem Zeug auf dem Boden, aber aus der untersten Schicht. Und achte darauf, dass du keine Überreste von Rahmed mit einpackst.«
Es waren zwei Helikopter, die nach einem Zwischenstopp in Baris am frühen Nachmittag des darauffolgenden Tages eintrafen. Der erste entließ neben mehreren Mitarbeitern der Antikenverwaltung auch einen dicken, schlechtgelaunten Vertreter des Kairoer Kultusministeriums namens Baruk, der zweite ein Ärzteteam und eine Schar Polizisten. Während Letztere damit begannen, die Wachleute und die verbliebenen Arbeiter zu verhören, erklärte uns Baruk, dass er uns und das, was wir hier taten, nicht mochte; wobei er keinen Zweifel daran ließ, dass er auch Helikopterflüge hasste, ebenso wie das Bergen verstümmelter Leichen, die Sonne und die gesamte Libysche Wüste obendrein.
Ihm und den Ärzten die Umstände von Rahmeds Tod zu erklären – vor allem in Anbetracht des Zustands der Leiche – gestaltete sich als verbale Tour de Force. Von einem luftleeren Raum, der sich jahrtausendelang innerhalb eines riesigen Hohlraums gehalten hatte, wollte niemand etwas wissen. Und außer dem Toten, der in einem Kühlsarg zur Obduktion nach Kairo ausgeflogen werden sollte, fand sich kein greifbarer Beweis für das Geschehene.
Károly hatte Mohad und die verbliebenen Arbeiter darauf eingeschworen, sich in Bezug auf Rahmeds Tod unwissend zu geben. Ebenso wenig verloren wir ein Wort über unsere nächtliche Expedition ins Innere der Pyramide. Baruk versicherte uns, dass man die aufgebrochene Kammer genauestens untersuchen und die mysteriösen Todesumstände gewiss aufklären würde.
Ich bezweifelte, dass die Behörden einen solchen Wirbel gemacht hätten, wenn nicht ausgerechnet Rahmed das Opfer gewesen wäre. Baruk und der Antikenverwaltung ging es vermutlich nur darum, uns zum Teufel zu jagen und das Grabungsfeld für eine gewisse Zeit zu annektieren – bis ein finanzstärkeres Team eintraf, das außerdem noch für das nötige archäologische Medienspektakel sorgen konnte. Von Ausländern privatfinanzierte Ausgrabungen, die nicht von der National Geographic oder Egyptian Exploration Society unterstützt wurden, waren der Antikenverwaltung ein Dorn im Auge. Ich war den Ministerien zwar kein Unbekannter, doch für eine archäologische Sensation wie den Fund und die Erforschung einer fremdartigen Pyramide, die fast sechstausend Jahre vor der Cheopspyramide errichtet worden war, anscheinend eine Nummer zu klein. Rahmeds unglücklicher Tod war der willkommene Anlass, uns die Grabungslizenz zu entziehen. Wenn zudem noch das Kultusministerium einen Vertreter hierher schickte und vom Einsatz eines Erkundungsroboters die Rede war, konnte man davon ausgehen, dass Zahi Abasah seine Hände mit im Spiel hatte. Als Generalsekretär der ägyptischen Antikenverwaltung besaß er den nötigen Einfluss, um sich das Projekt unter den Nagel zu reißen. Abasah war der Typ Archäologe, der gerne auch mal ein paar bewohnte Häuser abreißen ließ und ihre Einwohner umsiedelte, um Zugang zu unterirdischen Grabanlagen zu erhalten.
Meine Vermutung bestätigte sich, als wir von Baruk aufgefordert wurden, alle bisher gefundenen Artefakte und Forschungsergebnisse auszuhändigen, unsere persönlichen Sachen zu packen und Rahmeds Leiche nach Kairo zu begleiten, um gewisse unumgängliche Formalitäten zu erledigen. Das Schreiben, das uns mit sofortiger Wirkung weitere Grabungen untersagte, war tatsächlich von Zahi Abasah unterzeichnet.
Ich tauschte einen vielsagenden Blick mit Károly, stand auf und verließ wortlos das Zelt, in dem die fast dreistündige Unterredung stattgefunden hatte.
Károly folgte mir auf dem Fuß. Es gab zwischen uns nichts zu sagen, was wir nicht bereits im Vorfeld abgesprochen hätten. Abasahs Handlanger würden ihre Artefakte kriegen, ebenso sämtliche Unterlagen, die wir in den vergangenen drei Wochen zusammengetragen hatten; zumindest bis vorgestern.
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