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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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nervös, dann fieberhaft rastlos. Die innere Unruhe ließ mich nicht mehr schlafen und verursachte bald darauf physische und psychische Schmerzen. Kurzum: Ich zeigte alle Anzeichen eines Drogensüchtigen auf Entzug.
    Falls ich meiner inneren Uhr noch vertrauen konnte, waren seit meiner Ankunft mittlerweile fünf oder sechs Tage vergangen – plus einem Tag mehr oder weniger. Ich lief ruhelos im Zimmer umher, lauschte an der verschlossenen Tür nach Sahias Schritten oder lag gramvoll im Bett oder irgendwo auf dem Fußboden. Als ich irgendwann das Gefühl hatte, ersticken zu müssen, riss ich die Balkontür auf und trat hinaus ins Freie.
    Der infernalische Krach, in den die Festung gebettet war, schien sich seit meinem ersten Erkundungsgang nicht gewandelt zu haben. Jenseits des Akazienhains knatterte und kreischte es weiterhin, Brüllen und Heulen drang aus der Ferne heran, Explosionen donnerten, unterlegt von gleichförmigem Industrie- und Verkehrslärm mit einem Gesamtgeräuschpegel von gewiss weit über einhundert Dezibel. Bei dieser Dauerbelastung mussten neunzig Prozent aller Stadtbewohner mittlerweile schwerhörig sein oder an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden.
    Während ich meine flatternden Nerven zu beruhigen versuchte und meinen Blick schweifen ließ, bemerkte ich plötzlich eine Bewegung jenseits der Bäume. Etwas erschien am Fuß der Mauer, die den Hain umgab, wie ein Nacktmull aus der Erde, sah sich gehetzt um, scharrte staubige Erde in das Loch, aus dem es gekrochen war, und lief in den Park: ein Mensch! Ich kniff die Augen zusammen, doch obwohl die Bäume nicht besonders dicht wuchsen, konnte ich ihn nach wenigen Augenblicken nicht mehr sehen.
    Eilig schritt ich in mein Gemach zurück, bekleidete mich und schickte mich an, in den Park hinunterzueilen, um den Eindringling aufzuspüren, doch mein Eifer scheiterte an der verschlossenen Tür. Die Klinke ließ sich keinen Millimeter weit nach unten drücken. Konsterniert stand ich vor der Pforte und starrte auf die Maserung. Es gab nur das große Fenster über dem Bett mit Blick auf undurchdringliche Dampfschwaden, und die Balkontür, die die Aussicht auf den Hain erlaubte.
    Nachdem ich wieder und wieder erfolglos die Wände nach Ritzen und Fugen abgetastet hatte, war ich endgültig überzeugt davon, dass ich in einem goldenen Käfig saß. Es existierte kein geheimer Durchlass, der nach draußen führte, ebenso wenig eine versteckte Falltür unter den Bastmatten. Ratlos ging ich schließlich zurück auf den Balkon und blickte hinab in den Park. Nichts bewegte sich, nicht ein einziger Windhauch ließ die Akazienblätter rascheln. Ein Blick in die Tiefe genügte, um mir die Gewissheit zu geben, dass ich einen Sprung von der Balustrade schwerlich überleben würde. Es waren mindestens fünfzehn Meter bis zum Boden. Ich stand auf dem Balkon wie Rapunzel in ihrem Turm. Es sei denn …
    Rasch lief ich hinüber zur Mauer und überprüfte das Gestein. Zwischen den mächtigen Quadern gab es breite Fugen, in denen ich mit Fingern und Zehen Halt finden konnte. Ich wog das Risiko eines Sturzes ab und entschied, dass es nicht größer war, als in diesem Gefängnis zu verrotten. Also setzte ich mich, nur mit Hemd und Hose bekleidet, auf die Balustrade und ließ die Füße über dem Abgrund baumeln. Die Höhenangst zwang mich, diesen Vorgang ein halbes Dutzend Mal zu wiederholen, ehe ich genug Mut gesammelt hatte, um nicht schon wieder auf den Balkon zurückzuklettern. Das Schwierigste war der Übergang zur Mauer, denn hier bestand am ehesten die Gefahr, abzurutschen. Hing ich erst einmal im Gestein, war der Rest nur noch Formsache – hoffte ich. Bei Ausgrabungen in Theben und Medinet Habu war ich annähernd so halsbrecherischere Wände emporgeklettert – allerdings mit einem Sicherheitsseil um die Hüften und einem Helm auf dem Kopf.
    Empor ist nicht das Gleiche wie hinab, Krispin. Ich starrte in die Tiefe. Mut, nur Mut. Dem Mutigen gehört die Welt …
    Es war kein Akt, der den Geschicklichkeitspreis verdient hätte, doch nach einigen umständlichen Versuchen hing ich schließlich über dem Abgrund. Mit angehaltenem Atem und zitternden Muskeln dachte ich an Archon. Nun würde sich zeigen, ob seine Sturzflug-Schocktherapie Früchte trug. Vorsichtig löste ich den linken Fuß von der Mauer und tastete mich hinab zur nächsten Fuge. Dabei hing ich in der Wand wie ein Baumfrosch, hoffend, mit dem verschwitzten Körper notfalls am Gestein kleben zu bleiben, falls ich den

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