Morphogenesis
Corrigan hätte sich bücken müssen, um sie zu durchschreiten. Die Tür maß etwa achtzig Zentimeter im Quadrat – und sie ließ sich öffnen! Verwunderlich war jedoch, auf welche Art und Weise sie aufschwang: Ihre Scharniere befanden sich an ihrer Oberseite. Die Klappe ließ sich nach innen drücken wie eine riesige Katzentür. Vielleicht war es der Zugang für ein Tier, einen Hund beispielsweise.
Oder für einen Leoparden, Krispin! Oder ein Krokodil …!
Meine Körpertemperatur sank um ein paar Grad, doch im ewigen Kampf zwischen meiner Angst und meiner Neugier siegte erwartungsgemäß die Neugier. Ich ging in die Hocke, drückte die Klappe nach hinten und spähte in die Öffnung. Undurchdringliche Finsternis lag jenseits des Zugangs, und ein eigenartiger Geruch drang aus dem dahinter liegenden Raum. Es roch wie eine Mischung aus Kräuterapotheke und Schlachthof. Kein Zweifel, irgendetwas hauste hier unten, oder hatte es zumindest einmal getan. Ich kroch halb in die Öffnung und wartete, bis meine Augen sich an die von spärlich eindringendem Licht erhellte Schwärze gewöhnten.
Etwas Gewaltiges lag jenseits der Dunkelheit auf dem Boden. Zuerst konnte ich nicht genau erkennen, was es war, und hielt es für aufgestapelte Säcke. Dann hob es langsam den Kopf und sah mich an. Dies geschah vollkommen lautlos, als hätte ich vergessen, bei meinem Eindringen den Ton anzuschalten. Nach der Bewegung schien die Szenerie zu gefrieren. Ich saß wie ein lausiger Köter in der Öffnung, die Holzklappe mit meinen Schultern stützend, und blickte starr vor Entsetzen auf das, was ich aufgeschreckt hatte. Es war eine riesige, auf dem Boden zur Spirale zusammengerollte Uräusschlange. Ihr mir zugewandter Kopf war fast so groß wie ich und sah mich aus schwarzen Augen an. Ihr Nacken breitete sich hutartig aus, als sie erregt ihre Halsrippen zu spreizen begann. Der gesamte Leib der Natter war von handtellergroßen, grünen Schuppen bedeckt, während der Kopf nahezu schwarz war. Bereits die zwei Meter langen irdischen Uräusschlangen gehörten zu den giftigsten ihrer Art. Das Exemplar, das mich fixierte, maß vom Kopf bis zur Schwanzspitze jedoch mehr als das Zehnfache – bei einem Körperumfang, der der Größe des Eingangs gleichkam. Ein Biss von ihr musste mindestens einen halben Liter Gift austeilen!
Wie gelähmt kauerte ich auf dem Boden und starrte mein unausweichliches Verderben an, doch das Untier rührte sich nicht. Reglos lag es auf der Stelle, als wollte es abwarten, was ich unternahm. Eine Natter war schnell, tödlich schnell. Diese hier war gleichwohl riesig – und schwer. Falls in dieser Welt das Gesetz der Masseträgheit galt, müsste ich mich schneller bewegen können als sie.
Die Sache hatte nur einen Haken: Wohin sollte ich flüchten? Ich konnte mich auf eine zermürbende Hatz zwischen Akazienbäumen einlassen, doch letzten Endes würde ich den Kürzeren ziehen.
Die Schlange wiegte den Kopf und stieß ein bedrohliches Zischen aus. Es klang, als entweiche überflüssige Luft aus einem Industriekompressor. Noch immer machte sie keine Anstalten, mich zu attackieren, und in der Hoffnung, dass dies so bliebe, kroch ich wie in Zeitlupe rückwärts. Der Schweiß lief mir in Sturzbächen über den Körper. Nattern besaßen einen äußerst ausgeprägten Geruchsinn. Ich musste für das Reptil mittlerweile riechen wie eine Bisamratte mit Schlagsahne. Zentimeter für Zentimeter schlüpfte ich zurück ins Freie und ließ die Holzklappe vor mir hinuntersinken. Dann erhob ich mich und schlich rückwärts um den Turm herum, bis ich die Stelle erreicht hatte, an der ich die Mauer hinabgeklettert war.
Aufwärts ging es erheblich schneller als abwärts. Von der Angst getrieben, ein riesiges Schlangenmaul würde sich unter mir öffnen, überwand ich Meter für Meter, als befände ich mich im Finale einer American-Gladiators-Gameshow. Was fehlte, war der Applaus, als ich schweißüberströmt den Balkon erreichte und mich über die Brüstung fallen ließ. Nur ein paar Augenblicke gönnte ich mir auf dem kühlen Boden, dann rappelte ich mich auf und lief eilig in mein Zimmer zurück. Dort verschloss ich die Balkontür, zog die Vorhänge zu und ließ mich erschöpft aufs Bett fallen.
Das sanfte Streicheln einer Hand schreckte mich aus dem Halbschlaf. Sahia saß schweigend am Rand des Bettes. Ich hatte sie nicht das Zimmer betreten hören, und als ich Richtung Tür sah, fand ich sie verschlossen. Sahia schwieg, ihr Blick
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