Morphogenesis
jedoch war forschend, mit einer Spur von Ärger.
»Du warst draußen«, sagte sie schließlich. Es war mehr Feststellung als Frage. Ich blinzelte in Richtung Balkontür und versuchte mich aufzurichten, doch das Mädchen drückte mich sanft, aber bestimmt zurück. »Ich habe dir nicht erlaubt, hinauszugehen.«
»Erlaubt?« Ich wischte ihre Hand fort. »Was bin ich für dich? Dein Liebessklave?«
Sahia schüttelte kaum merklich den Kopf. »Um das zu erfahren, ist es noch zu früh.« Der Anflug eines Lächelns huschte über ihre Lippen, wurde jedoch sofort wieder verdrängt. »Warum bist du hinunter in den Park geklettert?«
Mit einem Mal war die Erinnerung wieder da; an die Chroner, an das brennende Hafenbecken – und an das Schlangenungetüm unter dem Turm. »Jemand kam …« Meine Stimme versagte. Sahia horchte bei meinen Worten auf, ihr zärtliches Streicheln endete abrupt.
»Jemand?« In ihrer Stimme lag ein bedrohlicher Unterton. »Wer kam?«
Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle. Ich verspürte nicht die geringste Lust, mit den Klingen der Chroner Bekanntschaft zu machen oder ein erquickendes Bad im Hafenbecken zu nehmen, weil ich mein Wort nicht halten konnte.
Sahias Hand richtete sich auf meiner Brust auf wie eine Spinne, ihre Fingernägel drückten schmerzhaft in mein Fleisch. »Wer kam?«, wiederholte sie. »Und woher?« Als ich immer noch nicht antwortete, erhielten ihre Augen wieder diesen hypnotischen Glanz, wobei sich ihre Pupillen weiteten, bis sie das gesamte Auge ausfüllten – geschliffene, schillernde Obsidiane …
Ich schaffte es nicht, meinen Blick von ihnen abzuwenden, sah mit starrem, fasziniertem Blick in diese nachtschwarzen Teiche. Dann brach mein Widerstand, und ich begann zu erzählen. Besser gesagt: Mein Mund begann zu reden, fast so, als spräche ein anderer mit meiner Stimme; Giza wahrscheinlich, dieser kollaborierende Voyeur. Mir war, als bräuchte ich für jedes Wort Minuten, um es über die Lippen zu bringen. Jede einzelne Silbe hallte in meinem Kopf nach. Während ich das Gefühl hatte, erst einen einzigen Satz zu Ende gebracht zu haben, hatte ich schon alles bis ins kleinste Detail ausgeplaudert, wofür mich die Chroner vierteilen würden, falls sie Wind davon bekämen.
Schließlich gab Sahia mich wieder aus ihrer mentalen Umklammerung frei, und die rabenschwarzen Kristalle wandelten sich zurück in menschliche Augen. Ich blinzelte benommen, während die Frau durch mich hindurchzustarren schien.
»Was bist du?«, flüsterte ich. »Wieso hast du mich hierher bringen lassen?«
Ihre Stimme kam wie aus weiter Ferne: »Du hast mir ein Versprechen gegeben.«
»Ich habe dir nie etwas Derartiges versprochen«, wehrte ich mich. »Schon gar nicht, mich an diesen abartigen … Ort verschleppen zu dürfen und wie einen Gefangenen zu halten.«
»Ich habe dich nicht verschleppen lassen, Kematef. Ich habe dich gerettet. An diesen Ort wärst du ohnehin gelangt, nur hättest du es bei weitem nicht so gut wie bei mir.«
»Wie – meinst du das?«
»Frage nicht. Nicht jetzt …«
Dann beugte sie sich über mich, und im nächsten Augenblick war alles erfüllt von goldenem Licht, in das Sahia sich zu verwandeln schien, während es jede Stelle meiner Haut bedeckte; warm und pulsierend. Ich vermochte mich ihrer ebenso wenig zu erwehren wie ihres abgründigen Blickes. Ob dieser Duft, der ihr entströmte, meinen Willen brach? Oder war es dieser goldene Schein, der mir die Sinne vernebelte? Oder womöglich alles an ihr; war Sahia eine manifestierte himmlische Droge? Sie wirkte so zerbrechlich wie eine venezianische Blume aus Glas, doch in ihr schlummerte eine unbändige, fast schon dämonische Kraft, die ihren zierlichen Körper bei jedem Höhepunkt auseinander zu sprengen drohte, hätte sie mich nicht mit aller Kraft umfangen.
Ich habe dich gerettet, hallte ihre Stimme in meinen Gedanken nach.
Gerettet wovor? Vor dem unausweichlichen Schicksal? Vor der Tristesse der realen Welt? Falls Sahia so weitermachte, würde ich bald süchtig sein nach ihrem Geruch, ihrer Haut, ihrer Korona. Am Ende gar verfallen und ausgeliefert …
Verdammt?
»Schlaf!«, flüsterte sie, als sie mich schließlich freigab. Ich fühlte ihre Lippen auf meinem Mund, spürte ihren Atem, der meine Lungen wie Äther erfüllte. Noch ehe Sahias Lippen sich wieder von den meinen lösten, wich meine Wahrnehmung bodenloser Dunkelheit.
Zuerst hielt er es für eine Trennscheibe aus Glas. Die Oberfläche war
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