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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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…«
    »Soll das heißen, dass Sie bereits über eintausend dieser Infusionen erhalten haben?«, wunderte sich Ka.
    »Es nützt ja nichts, wissen Sie«, rechtfertigte sie sich. »Vorschrift ist nun mal Vorschrift. Es hilft ja ein bisschen, aber es ist nicht von Dauer … Nicht von Dauer, wissen Sie? Wie heißen Sie eigentlich junger Freund?«
    »Ka.«
    »Oh …« Sie wedelte mit einer Hand vor ihrem Mund herum, als wolle sie ihren schlechten Atem vertreiben. »Ja, alle heißen sie so … alle …« Sie hakte sich bei ihm ein und zog ihn mit sich. »Kommen Sie«, forderte sie ihn auf. »Es wird kaum noch etwas nützen, aber ich zeige Ihnen, wo’s langgeht …«

 

     
     
    Es war kein Lux heller, als ich die Augen wieder aufschlug, aber auch keine Nuance dunkler. Immerzu herrschte dasselbe Dämmerlicht und dieselbe, unwirkliche Stille. Nie konnte ich bestimmen, wie viel Zeit seit unserem Liebesspiel vergangen war. Sie schien stillzustehen, überhaupt nicht zu existieren, die Gestirne schienen sich nicht zu bewegen. Es war, als gäbe es keine Sonne, die über das Firmament wanderte, und man hörte keine Glocken, die die Stunden einläuteten. Seit ich in dieser Stadt weilte, lebte ich in einem fortwährenden Hier und Jetzt.
    Wann war ich mit Spindario durch das brennende Rom gerast? Vor einer Woche? Wann war ich in den Akazienhain hinabgeklettert? Gestern? Meine zurückliegenden Erlebnisse kamen mir vor wie blass erinnerte Tagträume. Hin und wieder stellte ich mir sogar die Frage, ob ich diese Dinge wirklich erlebt oder nur erfunden hatte. Die Fahrt durch Babylon, das Schiff der Chroner auf dem Feuersee, Ben Sira … Jeglichen Zeitgefühls beraubt, betrachtete ich alles wie eine Illusion.
    War ich in Kairo womöglich versehentlich in die Mühlen der Terrorabwehr geraten? Hatte man mir irgendwo irgendetwas in einen Drink gemischt – im Hotel? Im Flugzeug? – und hielt mich seither kontrolliert unter halluzinogenen Drogen? Erschien mir meine Umwelt nur deshalb so irreal, weil ich permanent stoned war und es nicht begriff? Weil ich keine Chance hatte, mich dagegen zu wehren und aufzuwachen?
    Zugegeben, ich saß in keiner Isolationszelle irdischen Maßstabs und war eher subtilen Foltermethoden ausgesetzt, dennoch war ich ein Gefangener an diesem Ort oder Zeit. Hotel California werden derartige Plätze im CIA-Jargon genannt. Der Gefangene verliert in ihnen die Kriterien seiner Orientierung und das Gespür für die Zeit – und am Ende alle Maßstäbe. Er selbst – von der Außenwelt abgeschnitten – erfährt immer weniger, die Aufseher zugleich immer mehr über ihn. Aber bei aller Paranoia: Ich konnte mir kaum vorstellen, dass die CIA neuerdings Chroner und Corrigans in ihren Reihen beschäftigte.
    Anfangs hatte ich mich verbissen gegen den Gedanken gewehrt, den irdischen Wirkungskreis verlassen zu haben, doch die Tatsache, dass es draußen immer gleich hell blieb, brachte mich irgendwann zu der Überzeugung, dass diese Stadt sich nicht auf der Erde befand; zumindest nicht an ihrer Oberfläche. Es musste eine künstliche Umgebung sein, ein exorbitanter Kuppelbau oder eine weitläufige Halle, hermetisch abgeschirmt von der Außenwelt. Womöglich eine Art Extrem-Biosphäre, geschaffen, um herauszufinden, wie lange Menschen einer vom Chaos regierten Welt standhielten, ohne psychische Schäden davonzutragen; eine Stresswelt aus fingierten Albträumen, religiösem Terror und Gewalt, konstruiert, um die Auslöser und Folgen jeglicher Art von Kriegstraumata zu erforschen.
    Falls dem so sein sollte, konnte ich garantiert nicht der einzige Proband sein, den man hierher verschleppt hatte. Es musste Leidensgenossen geben, die ebenfalls gefangen gehalten und mit Drogen voll gepumpt wurden. Irgendwo in dieser Stadt. Womöglich sogar in dieser Festung …
    Ich sah hinauf in den Pseudohimmel. Mit Sicherheit verwehrten künstliche Wolken den Blick auf das Hallendach; auf unzählige Scheinwerfer, Nebelmaschinen und die in die Kuppel integrierten Kontrollräume. Aber weshalb sorgten die Betreiber nicht dafür, dass durch ein Dimmen des Lichts ein künstlicher Tag-Nacht-Rhythmus aufrechterhalten wurde?
    Vielleicht gehörte die ewige Dämmerung ja auch zum Gesamtkonzept. Oder die Dunkelphase folgte erst noch … Zweifellos war die Sphäre in Wirklichkeit wesentlich kleiner als sie wirkte, und ihre endlose Weite wurde an die Kuppelwände projiziert und lediglich vorgegaukelt. Die scheinbar kilometerlange Fahrt in Spindarios Taxi musste

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