Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch

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beanspruchten, in die Scheune und in den Stall. Aber ansonsten waren sie vor allem damit beschäftigt, ihr idiotisches Geschütz im Hof zu positionieren. Und dort stand es nicht lang, dort stand es, nachdem es die ersten Schüsse abgegeben hatte, nur mehr sehr kurz. Und danach stand das ganze Gehöft nicht mehr.
    Nichts mehr als rauchende Trümmer, auch die Scheune und der Stall. Die alliierten Flugzeuge hatten das Geschütz selbstverständlich bald geortet. Feindliches Feuer. Und da ging es einfach darum, diesen lästigen Funken rasch auszutreten. Und natürlich konnte man sich nicht darum kümmern, wie viele Zivilpersonen bei so einem nebensächlichen Bombenabwurf umkamen.
    Solche Geschichten. In mehreren Varianten. Es gab natürlich auch Gehöfte, in denen die Leute überlebten. Gewiss war das von vielen Zufällen abhängig und letzten Endes unberechenbar. Aber so viel ist sicher, dass die Überlebenschance mit der Entfernung vom Ort und von der unglücklicherweise durch den Ort führenden Straße zunahm.
    Auch Geschichten von Leuten, die sich in Höhlen zurückzogen. Es gab da angeblich Höhlen in den
crete
. Oder waren es eher von Dornengestrüpp überwucherte Gräben? Ganze Höhlen- oder Grabensysteme, in denen sich, so heißt es, große Gruppen von Menschen verbargen.
    Darunter Antonio, der
tabaccaio
mit den lustigen Augen, und seine Freunde. Luigi und Carlo und wie sie alle hießen. Die damals Erwachsenen mögen sich zu allererst an die ausgestandene Angst und an die erlittene Not erinnern. Aber für uns
ragazzi
waren die paar Wochen in den Höhlen zuallererst aufregend.
    Jahrgang 1933, ein tüchtiger Jahrgang. In unserer Fantasie, erzählten sie, waren wir Steinzeitmenschen, Bärenjäger. Der Alltag im Ort war ja nie so besonders spannend. Da draußen hingegen ... das war ein abenteuerliches Leben.
    Uns sie seien ja nicht ständig in den Höhlen gehockt. Sie seien ausgeschwärmt, sie hätten sich herumgetrieben. Immer auf der Suche nach interessanten Fundstücken. In so einem Krieg bleibe ja alles Mögliche in der Gegend liegen.
    Besonders begehrt seien natürlich Patronen gewesen, aus denen man das Pulver herausholen konnte. Auch nicht detonierte Granaten konnte man finden, Blindgänger, einmal sogar eine Fliegerbombe. Grell die Erinnerung an einen, der dabei umkam. Wie er auf einmal dastand, das Gesicht ganz schwarz, aber die Augen weit aufgerissen, mit seinen Gedärmen in den Händen.
    Aber das war ein Unfall, sagte Antonio. Und in den Höhlen überlebten viele. Vielleicht auch mit Hilfe der Madonna, zu der sie beteten. Manche von denen, die schon jahrelang keinen Fuß in die Kirche gesetzt hatten, sollen damals sogar Gelübde abgelegt haben.
    Doch das ist keine Perspektive für Mortimer und Molly. Nein, sagte Julia, in diesen Höhlen kann ich mir die zwei nicht vorstellen. Noch weniger als in irgendeinem Gehöft. Molly mit ihrer Neigung zur Klaustrophobie und Mortimer, der sich so lang nicht aus dem Mauerhaus gewagt hat ...
    Vor allem: Wenn sie da oder dort Zuflucht gefunden hätten, dann wüssten die Leute doch von ihnen ... Miss Molly, die sich sonst kaum unter die Leute gemischt hatte, und dieser Fremde ... Die zwei wären doch aufgefallen, an dieses Paar hätte man sich erinnert ... Und danach, als man das alles überstanden hatte und die Gelübde erfüllt waren und trotz allem so etwas wie Alltag wieder anfing, hätte es doch sicher Tratsch darüber gegeben.
    Miss Molly und dieser Fremde, ein Amerikaner! Denn dass er ein Ami war, hätte man unschwer erraten. Kaum dass er den Mund aufgemacht hätte, sagte Marco. Selbst wenn er sich stumm gestellt hätte, sagte Julia.
    Aber es gab keinen Tratsch über dieses Paar. Die beiden waren weder in den Gehöften aufgetaucht noch in den Höhlen. Sie müssen also etwas anderes gefunden haben. Einen Zufluchtsort, an dem sie dann nach wie vor zu zweit blieben.
    Etwas, wo sie zu zweit überleben konnten, sagte Marco. Überleben und über
lieben
, sagte Julia. Irgendwo weiter draußen. Wo könnte das gewesen sein?
Direi
..., sagte Marco, ich würde sagen ... am ehesten am Fluss.
7
    Aber irgendwo möglichst weit flussabwärts. Möglichst weit von der Brücke entfernt, die damals natürlich auch noch gesprengt worden war, bevor die alliierten Bodentruppen kamen. Eine antike Brücke, ein eleganter, steinerner Bogen. Gespannt über den Fluss, der sich von da an immer tiefer zwischen die immer höheren Hügel grub.
    Immer näher ans Ufer rückende Hügel mit immer