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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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hin. Wenn ich dabei bin, wird man sie schneller drannehmen.
6
    So kam es, dass sie mit Doktor Tozzi nach Montalcino fuhren. Dieser Doktor war die Freundlichkeit selbst. Nicht nur, dass er sich einfach Zeit nahm (machen Sie sich deswegen keine Gedanken, sagte er, ich bin Pensionist und habe augenblicklich nichts Besseres zu tun). Er bot Ihnen auch an, mit seinem Wagen zu fahren und ihren inzwischen in seine Garage zu stellen.
    Und doch hasste Julia den Doktor nachher. Wären wir doch nie zu diesem Doktor gegangen!, dachte sie. Oder hätten wir zumindest sein Angebot, mit uns nach Montalcino zu fahren, ausgeschlagen. Etwa so: Das ist furchtbar nett von Ihnen,
dottore
, aber Sie sollten unseretwegen Ihre liebe Frau nicht mit dem Mittagessen warten lassen, wir sind erwachsene Menschen, wir schaffen das auch allein.
    Das Fatale war ja, dass sie selbst, Julia, über dieses Angebot froh war. Vorerst fühlte sie sich dadurch entlastet. Sie brauchte nicht zu fahren, Gott sei Dank. Nach Montalcino waren es zwar nur fünfzehn Kilometer, aber die letzten fünf davon waren eine sehr kurvenreiche Strecke.
    Sie konnte sich, zumindest was das betraf, entspannen, sie brauchte das Auto nur mehr in die Garage zu manövrieren. Dabei hätte sie um ein Haar einen Pfeiler gestreift, der dort unvermutet im Weg stand. An den Kratzer, den sie damit an der immer noch glänzenden Karosserie des Volvo verursacht hätte, wollte sie nachher, in Doktor Tozzis Fiat, lieber gar nicht mehr denken. Merkwürdigerweise schien Marco nicht bemerkt zu haben, wie knapp es war, er hatte vorerst andere Sorgen.
    Nämlich des Röntgens wegen. Eine Weile war er eigenartig still. Erst als sie schon aus San Vito draußen waren, auf der alten Cassia, auf der man sehr schön und gemächlich durch die fotogene Gegend fuhr, denn die neue Schnellstraße gab es damals noch nicht, rückte er mit seinen Bedenken heraus. Ist es nicht so, fragte er, dass für ein Röntgen, mit dessen Hilfe man so eine Verletzung definitiv diagnostizieren kann, der Fuß noch einmal verdreht, also in die »richtige« Lage zurückgedreht werden muss? Keine Angst, Kollege, lächelte der Doktor, er brauche keine »gehaltene« Aufnahme, so etwas brauchten vielleicht weniger erfahrene Ärzte, ihm genüge eine ganz normale
radiografia
.
    Das war natürlich eine Erleichterung. Julia konnte direkt hören, wie Marco aufatmete. Noch größer war die Erleichterung, als sich dann angesichts des Röntgenbildes herausstellte, dass wirklich nichts gebrochen war. Im Krankenhaus ging alles sehr schnell und glatt. Die Begleitung durch den Doktor hatte tatsächlich den von ihm angekündigten Effekt.
    Als sie aus dem Spital traten und über den Parkplatz gingen, um wieder in Doktor Tozzis Auto zu steigen, ging Marco schon etwas flotter. Dass der Schmerz in seinem Knöchel zwar möglicherweise noch ein paar Tage anhalten, aber, wenn er die Salbe brav anwandte, einfach verschwinden würde, stimmte ihn, der noch vor kurzem so besorgt gewirkt hatte, nun geradezu heiter. Kein Bruch, keine Komplikationen, keine Angst vor irgendwelchen operativen Eingriffen, die er sich als sensibler Mensch mit medizinischen Fachkenntnissen wahrscheinlich besonders lebhaft vorstellen konnte. Wie wär’s, sagte er, wenn wir noch kurz oben in der Fortezza oder unten im
Caffè Dante
Station machen und ein Glas Brunello trinken würden.
    Das sei eine schöne Idee, sagte der Doktor, aber erstens sollte er als Autofahrer lieber nichts trinken. Und zweitens (er schaute auf die Uhr) würde sich seine Frau, wenn sie dann etwas länger beim Wein sitzen blieben, vielleicht doch Sorgen um ihn machen. Er würde Marco und Julia aber gern zur Festung hinaufbringen oder, soweit er dort zufahren könne, in die Nähe der Piazza. Sie könnten dann in aller Ruhe ein Gläschen trinken, vielleicht einen kleinen Imbiss dazu nehmen und dann mit dem Bus, der, wenn er sich recht erinnere, von hier zu jeder vollen Stunde abfahre, nach San Vito zurückkehren – wenn Sie wieder in San Vito seien, sollten Sie einfach bei ihm klingeln, und er werde ihnen die Tür zur Garage öffnen.
7
    Warum waren sie nicht auf diesen Vorschlag eingegangen? Das war wahrscheinlich ihr entscheidender Fehler. Sie hätten den Doktor einfach fahren lassen sollen, dachte Julia später, wenn sie sich den Ablauf dieses Tages wieder und wieder vergegenwärtigte. Ihnen hätte es gutgetan, noch eine Weile zu zweit in Montalcino zu bleiben, in der nunmehr erleichterten Stimmung, die sich durch

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