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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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stachelig. Und manchmal raschelte es darin doch einigermaßen verdächtig.
    Auch war es in diesem Dickicht trotz des klaren Himmels dunkler als erwartet. Man konnte leicht vom Pfad abkommen (falls die schmale Schneise, der sie folgten, überhaupt ein Pfad war). Es war gut, dass Marco eine Taschenlampe mitgenommen hatte. Aber schließlich hatten sie es geschafft und waren oben, wo es eine kleine Blöße gab und sogar einen Baumstamm, auf den sie sich setzen konnten.
    Da saßen sie dann nebeneinander und schauten in die Höhe. Und sahen tatsächlich einige Sternschnuppen, wenn auch nicht neunzig bis zweihundert pro Stunde. So viele nämlich sollte es angeblich geben. Zumindest behauptete das Marco, der diese Zahlen irgendwo gelesen hatte. Wie dem auch sei, die Sternschnuppen, die sie sahen, reichten auch. Zwar verglühten die meisten sehr rasch, aber da hieß es eben auch rasch sein mit allfälligen Wünschen. Und das ging schon, wenn man sich seine Wünsche rechtzeitig zurechtgelegt hatte. Was zumindest bei Julia der Fall war – einige Wünsche lagen ihr ja gewissermaßen auf der Zunge.
    Allerdings durften sie nicht ausgesprochen werden, sonst würden sie nicht in Erfüllung gehen. Anderseits war Julia sehr nach Aussprache. Und vielleicht, dachte sie, war ja gerade das der richtige Moment. Der Augenblick nämlich, als der Wind den Klang der Glocken von der Collegiata herübertrug (erstaunlich eigentlich, dass man ihn so weit hörte: die Glocken schlugen zwölf Mal, es war also Mitternacht) und sie mit dem letzten Schluck, den die Flasche noch hergegeben hatte (redlich geteilt), noch einmal anstießen.
    Auf uns, sagte Marco.
    Und auf unsere Zukunft, sagte Julia.
    Und dann stellte sie, in halb scherzhaftem Ton übrigens, die Frage, wie alles mit ihnen weitergehen sollte.
    Also zuerst einmal,
wo
es mit ihnen weitergehen sollte. Turin oder Wien? Vielleicht sollten wir eine Münze werfen, Kopf oder Zahl.
    Doch da spürte sie direkt, wie Marco ein Stück auf Distanz ging. Nicht dass er auf dem Baumstamm, auf dem sie immer noch saßen, von ihr wegrückte. Es war nicht körperlich, nein, doch sie spürte es deutlich. In durchaus richtiger Einschätzung ihrer Reaktion auf das, was er dann gleich sagen musste, ging er seelisch schon jetzt in die Defensive.
    Bevor er es sagte, schwieg er allerdings. Schwieg lang, und das war natürlich besonders verdächtig. Julia ahnte schon: Er würde ihr etwas antworten, das sie traf. Und so war es. Denn dann endlich rückte er mit seinem Amerika-Projekt heraus.
    Dass er jetzt, da er sich nicht mehr um seine Mamma kümmern müsse, eine einmalige Chance habe. Nämlich ein Jahr lang nach San Francisco zu gehen, wo es eine Klinik gab, in der man ganz besondere Operationsmethoden für bestimmte Augenkrankheiten entwickle. Natürlich mit Laserstrahlen, das sei auf diesem Gebiet die Zukunft. Es habe da eine Ausschreibung gegeben, und er habe sich darum beworben – unter einer ganzen Anzahl von jungen, italienischen Ärzten habe nur eine Handvoll den Zuschlag bekommen.
    Und das wäre nicht nur für seine Karriere als
medico
wichtig, sondern – hier räusperte er sich einige Male – es sei ihm auch ein Herzensanliegen. Seiner armen Mamma würde es zwar nichts mehr nützen, aber dass er sich speziell mit der Heilung gewisser Augenleiden auseinandersetze, sei gewissermaßen ihr Vermächtnis. Und da könne er doch nicht ganz einfach nein sagen. Der toten Mamma gegenüber wäre das ausgesprochen unfair.
    Und mir gegenüber?, sagte Julia. Wie findest du das
mir
gegenüber?
    Es sei ja nur ein Jahr, sagte er. Nach einem Jahr komme er doch zurück. Und dann habe er viel bessere Möglichkeiten, sich hier als Arzt zu etablieren. Und dann werde man, was das Privatleben betreffe, schon weitersehen.
    Das
Privatleben
! Wie er auf einmal redete!
    Und was mache
ich
inzwischen?, fragte sie. Fromm und brav auf dich warten?
    Du kannst ja, sagte er, mein Gott, du kannst ja mitgehen, wenn du willst ...
    Das klang nicht ganz so, als hätte er das bisher schon im Sinn gehabt.
    So! Und was mach ich dort deiner Ansicht nach? Darf ich als Kellnerin in einem
Deli
arbeiten? Und die Greencard bekomme ich einfach auf dem Präsentierteller. Weil ich so lieb bin oder weil ich einen Freund habe, der mich in einem Jahr, wenn wir nach Europa zurückkehren, wahrscheinlich noch immer nicht heiraten will, denn dann muss er wahrscheinlich erst seine Praxis einrichten und so weiter und so fort!
    Sie war jetzt richtig wütend. Etwas in

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