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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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ihr bäumte sich gegen ihn auf. Was bildete er sich eigentlich ein? Wieso hatte er ihr die ganze Zeit über nichts davon geschrieben oder am Telefon gesagt? Wenn er sich infolge der Ausschreibung, von der er redete, um diese Ausbildungsstelle beworben hatte, musste das doch schon eine Weile zurückliegen.
    Er habe ja nicht gewusst ..., sagte er. Er habe ja eigentlich nicht wirklich mit dem Erfolg seiner Bewerbung gerechnet ...
    Ach was, sagte sie. Das sind doch alles faule Ausreden.
    Sie fühlte sich von ihm hintergangen. Zumindest getäuscht.
    Er versuchte noch etwas zu erklären, aber sie hörte nicht mehr zu.
    Hör auf!, sagte sie. Ich hab jetzt genug. Ich will nichts mehr als schlafen.
    Und erhob sich und begann den Hang hinunterzusteigen.
    So warte doch!, rief Marco, der noch die leere Flasche und die Gläser in den Korb packte.
    Sie wartete nicht. Er sollte nur merken, was sie nun von ihm hielt.
    Er lief hinter ihr her. Und dann hörte sie auf einmal ein Klirren, so als wäre er mit dem Korb gestrauchelt.
    Dieses Klirren und einen verhaltenen Schmerzensschrei.
Ahi
oder
ohi
oder
ahimé
, irgendetwas, das ihr in dieser Situation vorerst völlig übertrieben vorkam. Übertrieben und ganz unpassend pathetisch. Solche Ausrufe kannte sie nur aus Opern, und für Opern hatte sie nicht viel übrig.
    Aber sie blieb doch stehen und horchte ins Dunkel. Er jammerte leise und ging nicht weiter. Schließlich stapfte sie ein paar Schritte zurück. Da saß er auf dem Boden und hielt sich den rechten Fuß.
    Ich bin umgekippt, stöhnte er. Ich kann nicht mehr auftreten.
La caviglia!
Der Knöchel!
Forse è rotta
. Vielleicht sei er gebrochen, der Knöchel. Es gebe verschiedene Knöchelbrüche. Einfache und komplizierte. Dieser fühle sich kompliziert an.
    Das darf doch nicht wahr sein!, dachte sie. Was für ein wehleidiger Mensch! Wäre ihm das vor seinem Geständnis bezüglich seines Amerika-Projekts passiert, so hätte sie ihn bedauert. Sie hätte ihn nicht nur bedauert, sondern mit ihm gelitten, sich Sorgen um ihn gemacht, seinen Knöchel massiert. Aber jetzt dachte sie, zumindest in einem etwas dunklen Bereich ihres Bewusstseins: Geschieht ihm ganz recht!
    Sie half ihm dann trotzdem auf und stützte ihn. Er war nicht sehr schwer damals. Vielleicht um die fünfundsiebzig Kilo. Trotzdem war der Abstieg vom heiligen Hügel auf diese Weise alles andere als leicht. Am Himmel über ihnen verglühten noch einige Sternschnuppen, doch denen schenkten sie nicht mehr die dem Datum entsprechende Beachtung.
3
    Mit einem gebrochenen Knöchel hätte Marco auch den relativ kurzen Weg zurück zum Haus kaum geschafft. Gebrochen war dieser Knöchel also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Vielleicht waren die Bänder überdehnt, vielleicht die Sehnen gezerrt, weiß der Teufel. Vielleicht handelte es sich auch um eine Prellung – womöglich sei er, so Marco, im Straucheln auch an einen Stein angerannt.
    Bis zum nächsten Morgen war der Knöchel jedenfalls angeschwollen und blauviolett verfärbt. Wie der Hintern eines Mandrills, sagte Julia – Marco fand diesen Vergleich nicht wirklich zum Lachen. Er versuchte, im Haus hin und her zu gehen, aber das tat nicht gut. Er legte sich wieder ins Bett und lagerte das Bein auf mehrere übereinandergestapelte Polster.
    Julias Mitleid hielt sich zwar in Grenzen, aber sie machte ihm kalte Umschläge. Kalt und mit
Aceto di Vino Rosso
getränkt. Das ganze Haus roch allmählich nach Essig. Jedes Mal, wenn Julia den alten Umschlag entfernte und mit einem neuen, naturgemäß kälteren, Marcos Haut berührte, verzog er schmerzlich das Gesicht.
    So verstrich ein Tag, an dem draußen die Sonne vorbeiging. Ein Tag, an dem der Knöchel das zentrale Thema war. Sonst sprachen sie an diesem Tag wenig miteinander. In der Nacht schlief Julia auf der Couch im
soggiorno
– dorthin war sie schon in der vorangegangenen Nacht übersiedelt, und da wollte sie bis auf weiteres bleiben.
4
    Am nächsten Tag fand Marco, dass es ratsam sei, einen Arzt aufzusuchen. Für den Fall, dass vielleicht doch ein Bruch vorlag. Bei ihren bisherigen Aufenthalten in San Vito hatten sie keine medizinische Hilfe gebraucht. Doch sie erinnerten sich vage daran, dass es in der Via Poliziano einen Praktischen Arzt gab.
    Dorthin zu kommen, war allerdings unter den gegebenen Umständen nicht so einfach. Da Marco mit seinem Fuß weder das Gaspedal noch die Kupplung betätigen konnte, musste Julia fahren. Sie selbst hatte damals noch kein Auto, sie hatte

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