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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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aufnehmen.
    Und jetzt? Eben jetzt wäre es so weit gewesen. Aber jetzt hatte der aussichtsreiche Herr Mediziner andere Perspektiven.
    Übrigens, sagte Julia, war das ja nicht nur
dein
Film. Irgendwie habe ich den Eindruck gehabt, dass ich auch etwas damit zu tun gehabt habe. Und das wollte er jetzt einfach alles liegen und stehen lassen. Einfach über ihren Kopf hinweg, in dem dieser Film all die Jahre hindurch ebenso konzipiert und vorweg fantasiert worden war wie in seinem.
    Seine Bereitwilligkeit, das Terrain, das ihre Fantasie im Lauf ihrer gemeinsamen Jahre erobert hatte, einfach aufzugeben! Doktor Tozzis desillusionierendes Geplauder hatte ihm offenbar ins Konzept gepasst. Sie hätte nie gedacht, dass er sie so enttäuschen könnte. Es komme ihr so vor, sagte sie, als hätten sie miteinander ein Haus gebaut, und nun, knapp bevor sie das Dach darauf hätten setzen können, sei er ohne weiteres bereit, es niederreißen zu lassen.
    Er lächelte.
Per non esagerare
, sagte er. Um nicht zu übertreiben ...
    Ma che?
, sagte sie. Mit welchem Recht unterstellst du mir, dass ich übertreibe? Ich empfinde es so,
figurati
, stell dir das vor! Oder willst du das nicht mehr, oder kannst du das nicht mehr – sind deine Empathie und deine Fantasie vor lauter Kniefällen vor der so genannten Realität schon so geschädigt?
    Sie griff nach dem Weinglas, das sie bisher nicht angerührt hatte.
    Na, Prost, sagte sie.
Salute
. Auf deine Zukunft!
    Sie trank den Wein jetzt sehr rasch, in zwei grimmigen Zügen.
    Schenk mir nach, sagte sie.
    Er zögerte.
    Ich hab gesagt, du sollst mir nachschenken!
    Vorsicht, sagte er. Das ist zwar kein Brunello, aber stark ist er trotzdem.
    Fein, sagte sie. Dann werde sie hoffentlich gut schlafen.
    Weißt du, was du jetzt für mich bist? Ein Revisionist! Ein Scheißrevisionist! Du willst unsere Geschichte revidieren.
    Rekapitulieren wir, sagst du. Für mich klingt das wie:
Kapitulieren
wir. Aber nicht mit mir, sagte sie. Nein. Ich werde das nicht mitmachen ...
    Aber wenn die Wirklichkeit nun einmal etwas anders aussieht als die Illusion?, sagte er.
    Umso schlimmer für die Wirklichkeit, sagte sie.
Questa realtà non me ne frega un cazzo
.
    In den nächsten Tagen nahm die Gewitterneigung zu. Wenn es regnete und der Wind vom Westen her kam, tröpfelte es durchs Dach. Sie stellten Töpfe und Pfannen auf, die sich manchmal erstaunlich rasch mit Wasser füllten. Häufig fiel der Strom aus, und wenn es dann Abend war, mussten sie Kerzen anzünden.
    Das hätten sie sonst bestimmt romantisch gefunden. Und außerdem hätten sie es mit Humor genommen. Und früher oder später hätte es im Bett geendet. Und das hätte ihnen nach wie vor Freude gemacht.
    Jetzt jedoch klappte das alles auf einmal nicht mehr. Die Kerzen gaben ein trübes Licht, bei dem man nur schlecht lesen konnte. Wenn Julia einen Witz zu machen versuchte, nahm ihn Marco ernst, wenn Marco ironisch war, fand ihn Julia zynisch. Und der Versuch, versöhnlich miteinander ins Bett zu gehen, scheiterte kläglich.
    Die Initiative dazu war von ihm ausgegangen. Sie hatte vorerst nur halbherzig mitgemacht. Aber dann war sie doch geneigt, den Widerwillen, den sie im ersten Moment empfand, zu überwinden. Zwar kam ihr der Ablauf der Bewegungen, mit denen er sich an ihr zu schaffen machte, anders vor als sonst, irgendwie unrund, genau, auf ganz ungewohnte Weise eckig, aber das lag wohl am Knöchel, der ihn behinderte, diesem Knöchel, der, eingewickelt in eine elastische Fixierbinde und nach der Salbe riechend, die Doktor Tozzi verschrieben hatte, eigenartig präsent war.
    Nach und nach verspürte sie also doch eine gewisse Erregung. Und die Bereitschaft, sich diesem Mann, den sie so gut kannte, zu öffnen, wie schon
so
oft und gern. Doch da versuchte er mit einer Plumpheit, die dem Marco, den sie zu kennen glaubte, überhaupt nicht ähnlich sah, in sie einzudringen, sie zu
nehmen
(nie zuvor wäre ihr beim Liebesspiel mit ihm dieser blöde Ausdruck in den Sinn gekommen). Und als sie das nicht zuließ, sondern ihn wegdrängte und ihm zu sagen versuchte, wie sie das fand, reagierte er, das heißt sein Schwanz, verstört, und dabei blieb es dann leider.
    Und was sollte sie dazu sagen ...
Questo cazzo non me ne frega un cazzo?
Das hätte ja nicht ganz der Wahrheit entsprochen. Allerdings war sie der Ansicht, der Schwanz sei gar nicht so wichtig. Schon gar nicht in dieser Situation. Komm, sagte sie, sei einfach lieb zu mir!
    Aber das schaffte er nicht. Er genierte

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