Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
Vom Netzwerk:
sollte.
    »Komm,
Juniper«, drängte er. »Lass uns heiraten. Du und ich.« Und es konnte kein
Zweifel mehr daran bestehen, dass er es ernst meinte.
    »Es ist nicht vorgesehen, dass ich
heirate.«
    Er runzelte die Stirn. »Was soll
das heißen?«
    In dem
Schweigen, das zwischen ihnen entstand, hörte man einen Wasserkessel, der in
der Wohnung unter ihnen pfiff. »Es ist kompliziert«, sagte Juniper schließlich.
    »Wirklich? Liebst du mich?«
    »Das weißt du doch.«
    »Dann ist
es auch nicht kompliziert. Heirate mich. Sag ja, June. Was auch immer es ist,
was dir Sorgen bereitet, wir finden dafür eine Lösung.«
    Juniper
wusste, dass es keine Antwort gab, die ihn zufriedenstellen würde, nichts
außer »ja«, aber das konnte sie nicht. »Lass mich darüber nachdenken«, sagte
sie schließlich. »Gib mir ein bisschen Zeit.«
    Er setzte sich abrupt auf die
Bettkante und ließ den Kopf hängen. Er war unglücklich. Sie hätte ihn gern
berührt, ihm den Rücken gestreichelt, hätte am liebsten die Zeit zurückgedreht,
damit er sie nie gefragt hätte. Während sie ihn noch ratlos betrachtete,
langte er in seine Tasche und zog einen Umschlag hervor. Er war einmal
gefaltet, aber sie konnte sehen, dass sich ein Brief darin befand. »Hier hast
du deine Zeit«, sagte er und reichte ihr den Brief. »Ich bin wieder zu meiner
Einheit berufen worden. Ich muss mich in einer Woche melden.«
    Juniper
holte erschrocken Luft. Sie setzte sich neben ihn. »Aber wie lange ... ? Wann
wirst du wieder zurück sein?«
    »Keine
Ahnung. Wenn der Krieg vorbei ist, nehme ich an.«
    Wenn der
Krieg vorbei ist. Er würde London verlassen, und plötzlich begriff Juniper,
dass dieser Ort, diese Stadt ohne Tom bedeutungslos wäre. Dann konnte sie
genauso gut wieder ins Schloss zurückkehren. Bei diesem Gedanken begann ihr
Herz wild zu rasen, ein Warnsignal, das ihr nur allzu sehr vertraut war. Sie
schloss die Augen in der Hoffnung, dass es vorüberging.
    Ihr Vater
hatte ihr erklärt, dass sie ein Geschöpf des Schlosses war, dass sie dorthin
gehörte und dort am besten aufgehoben war, aber er hatte sich geirrt. Das
wusste sie inzwischen. Das Gegenteil war der Fall. Fern vom Schloss, fern von
der Welt des Raymond Blythe, fern von den schrecklichen Dingen, die er ihr
erzählt hatte, und fern von seinen entsetzlichen Schuldgefühlen und seiner
Traurigkeit war sie frei. In London war keiner ihrer Besucher aufgetaucht, und
es hatte keine verlorene Zeit gegeben. Und auch wenn ihre schreckliche Angst,
sie könnte anderen ein Leid zufügen, ihr bis hierher gefolgt war - hier war
alles anders.
    Juniper
spürte einen Druck auf ihren Knien und öffnete blinzelnd die Augen. Tom kniete
mit besorgter Miene vor ihr auf dem Boden. »Hey, mein Liebling«, sagte er. »Es
ist alles in Ordnung. Alles wird gut werden.«
    Sie hatte
Tom nichts von alldem erklären müssen, und darüber war sie heilfroh gewesen.
Sie wollte nicht, dass sich seine Liebe zu ihr änderte, dass er so fürsorglich
und so besorgt wurde wie ihre Schwestern. Sie wollte nicht beaufsichtigt
werden und auch nicht, dass ihre Stimmungen und ihr Schweigen bewertet wurden.
Sie wollte nicht vorsichtig geliebt werden, sondern leidenschaftlich.
    »Juniper«,
sagte Tom, »es tut mir leid. Bitte sieh mich nicht so an. Ich ertrage es nicht,
wenn du so ein Gesicht machst.«
    Was war
nur los mit ihr? Wollte sie sich etwa von ihm abwenden? Ihn aufgeben? Warum um
alles in der Welt sollte sie so etwas tun? Nur um den Wünschen ihres Vaters
gerecht zu werden?
    Tom stand
auf und wollte weggehen, aber Juniper fasste ihn am Handgelenk. »Tom ...« »Ich
hole dir ein Glas Wasser.«
    »Nein«,
sagte sie und schüttelte heftig den Kopf. »Ich will kein Wasser. Ich will nur
dich.«
    Er
lächelte, und ein Grübchen bildete sich in seiner stoppeligen Wange. »Mich
hast du doch schon.«
    »Nein«,
sagte sie, »ich meine ... ja.«
    Er legte
den Kopf schief.
    »Ich
meine, ich möchte, dass wir heiraten.«
    »Wirklich?«
    »Und wir sagen es meinen
Schwestern gemeinsam.« »Natürlich tun wir das gemeinsam«, antwortete er. »Was
immer du willst.«
    Und dann
musste sie lachen, aus vollem Halse lachen, und sich fühlte sich auf einmal
viel leichter. »Thomas Cavill und ich werden heiraten.«
    Juniper
lag wach, die Wange an Toms Brust geschmiegt, und lauschte auf seinen
gleichmäßigen Herzschlag, seinen ruhigen Atem, versuchte, ihren Rhythmus mit
seinem in Einklang zu bringen. Aber sie konnte nicht schlafen. Sie versuchte,
in ihrem

Weitere Kostenlose Bücher