Morton, Kate
Tür. Saffy erstarrte und lauschte. Aber da war nur
Stille. Stille und die eigenartigen Gerausche, an die ich mich mittlerweile
gewöhnt hatte: eine Art Gurgeln hinter dem Deckenstuck, das leise Klappern von
Fensterläden, das Ächzen im Balkenwerk des Hauses.
»Ich
glaube, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, sagte sie mit gedämpfter
Stimme. »Über Percy, über gestern. Als Sie nach Juniper gefragt haben, als Sie ihn erwähnt
haben und Percy so schroff reagiert hat.«
»Sie
müssen sich nicht entschuldigen.«
»Doch,
doch, aber es ist schwierig, Sie unter vier Augen zu sprechen« - ein grimmiges
Lächeln - »so ein riesiges Haus, und doch ist man nie allein.«
Ihre
Nervosität war ansteckend. Mein Herz begann schneller zu schlagen, und ich
senkte ebenfalls die Stimme. »Können wir uns nicht irgendwo treffen? Vielleicht
unten im Dorf?«
»Nein«,
sagte sie hastig und schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht. Es ist nicht
möglich.« Noch ein Blick zur leeren Tür. »Am besten wir reden hier.«
Ich nickte
zustimmend und wartete, während sie ihre Gedanken ordnete wie jemand, der eine
Handvoll Stecknadeln aufsammelt. Nachdem sie sie alle aufgelesen hatte,
erzählte sie ihre Geschichte rasch, mit leiser, entschlossener Stimme. »Es war
ganz schrecklich. Es ist jetzt über fünfzig Jahre her, und doch erinnere ich
mich an den Abend, als wäre es gestern gewesen. Junipers Gesicht, als sie an
der Tür stand. Sie traf erst sehr spät ein, hatte ihren Schlüssel verloren,
deshalb hat sie geklopft, und als wir die Tür aufgemacht haben, kam sie
hereingehüpft — sie ging nicht einfach, wie andere Menschen -, und ihr Gesichtsausdruck
- den sehe ich immer vor mir, wenn ich abends die Augen zumache. Noch jetzt. Es
war so eine Erleichterung, sie zu sehen. Am Nachmittag war ein fürchterliches
Gewitter heraufgezogen. Es regnete, und der Sturm heulte, die Omnibusse hatten
Verspätung ... Wir hatten uns große Sorgen gemacht. Als es klopfte, dachten wir
zuerst, er wäre es. Auch deswegen war ich nervös; beunruhigt wegen Juniper und
nervös wegen ihm. Ich hatte mir schon gedacht, dass sie sich verliebt hatte,
dass sie heiraten wollte. Sie hatte es Percy noch nicht erzählt - Percy hatte
genau wie unser Vater eine klare Meinung zu diesen Dingen -, aber Juniper und
ich standen uns immer sehr nah. Und ich wollte ihn unbedingt liebenswert
finden; ich wollte, dass er ihrer Liebe wert war. Ich war natürlich auch
neugierig, schließlich war Junipers Liebe nicht einfach zu gewinnen. Wir saßen
eine Weile zusammen im guten Zimmer. Zuerst redeten wir über allgemeine Dinge,
über Junipers Leben in London, und wir beruhigten uns damit, dass sein Bus
wahrscheinlich Verspätung hatte, dass es am Verkehr lag, dass der Krieg schuld
war, aber irgendwann schwiegen wir nur noch.« Sie sah mich von der Seite mit
traurigen Augen an. »Der Sturm heulte, der Regen hämmerte gegen die
Fensterläden, und das Abendessen verbrannte im Ofen ... Der Geruch nach
Kaninchenpastete« - sie verzog das Gesicht — »hing im ganzen Haus. Seitdem kann
ich kein Kaninchen mehr essen. Es schmeckt für mich nach Angst. Klumpen aus
entsetzlicher, verkohlter Angst ... Juniper so zu erleben war unerträglich. Wir
konnten sie nur mit Mühe davon abhalten, bei dem Unwetter nach draußen zu laufen
und ihn zu suchen. Selbst als es schon längst Mitternacht war und es klar war,
dass er nicht kommen würde, wollte sie nicht aufgeben. Sie wurde hysterisch,
wir mussten ihr Schlaftabletten geben, die wir noch von Vater hatten, um sie zu
beruhigen ...«
Saffy
versagte die Stimme; sie hatte sehr schnell gesprochen, um die Geschichte
loszuwerden, bevor Percy kam. Sie hustete in ihr feines Spitzentaschentuch, das
sie aus dem Ärmel gezogen hatte. Auf dem Tisch neben Saffys Sessel stand ein
Krug mit Wasser, und ich goss ihr ein Glas ein. »Es muss furchtbar gewesen
sein«, sagte ich und reichte es ihr.
Sie trank
dankbar, dann hielt sie das Glas mit beiden Händen auf dem Schoß. Ihre Nerven
schienen zum Zerreißen gespannt zu sein, ich sah, wie ihre Schläfen pulsierten.
»Und er
ist nicht mehr gekommen?«, fragte ich.
»Nein.«
»Haben Sie
nie erfahren, warum? Gab es keinen Brief? Keinen Anruf?« »Nichts.« »Und
Juniper?«
»Sie hat
gewartet und gewartet. Sie wartet immer noch. Die Tage vergingen, dann die
Wochen. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben. Es war entsetzlich. Einfach
entsetzlich.« Saffy ließ das Wort im Raum hängen. Sie war wieder in jene
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