Morton, Kate
dann
gehe ich mit Miss Burchill nach unten.« Da ich sie fragend ansah, fügte sie
hinzu: »Ins Familienarchiv. Wie versprochen.«
Ich
lächelte, aber anstatt ihre Suche nach Bruno fortzusetzen, was ich erwartet
hätte, kam Percy ins Zimmer und trat ans Fenster. Sie tat, als würde sie den
Rahmen untersuchen, kratzte an einem Fleck an der Fensterscheibe, beugte sich
vor, aber es war offensichtlich, dass die spontane Inspektion ein Vorwand war,
bei uns im Zimmer zu bleiben. Saffy hatte recht. Aus irgendeinem Grund wollte
Percy Blythe mich nicht mit ihrer Zwillingsschwester allein lassen, und ich
fühlte meinen Verdacht vom Vortag bestätigt, dass Percy Saffy daran hindern
wollte, etwas auszuplaudern. Die Kontrolle, die Percy über ihre Schwestern
ausübte, war erstaunlich; es faszinierte mich, und gleichzeitig sagte mir eine
leise innere Stimme, dass ich auf der Hut sein sollte. Aber mehr als alles
andere spornte es meine Neugier an, das Ende von Saffys Geschichte zu erfahren.
Die
folgenden fünf Minuten, in denen Saffy und ich über das Wetter plauderten,
während Percy wütend aus dem Fenster starrte und an der staubigen Fensterbank
herumkratzte, wurden quälend lang. Das Geräusch eines sich nähernden Autos
erlöste uns schließlich. Wir beendeten unsere theaterreife Vorstellung und
warteten schweigend.
Der Wagen hielt
vor dem Haus. Eine Tür wurde zugeschlagen. Percy atmete aus. »Das wird Nathan
sein.«
»Ja«,
sagte Saffy.
»In fünf
Minuten bin ich wieder da.«
Und dann
endlich ging sie. Erst als Percys Schritte nicht mehr zu hören waren, seufzte
Saffy auf, drehte sich zu mir um und schaute mich an. Sie lächelte
entschuldigend und zugleich ein bisschen verlegen. Aber als sie den Faden ihrer
Geschichte wieder aufnahm, lag eine neue Entschlossenheit in ihrer Stimme.
»Sie haben es gewiss bemerkt«, begann sie, »dass Percy die stärkste von uns
dreien ist. Meistens bin ich froh darüber. Eine Kriegerin im Bund zu haben kann
sehr vorteilhaft sein.«
Mir fiel
auf, wie sie ihre Finger aneinanderrieb und zur Tür schielte. »Aber bestimmt
nicht immer«, bemerkte ich.
»Nein.
Nicht immer. Nicht für mich, und für sie genauso wenig. Dieser Wesenszug kann
auch eine schwere Bürde sein, vor allem seit Juniper ... seit dem Vorfall. Es
hat uns beide schrecklich mitgenommen. Juniper ist unsere kleine Schwester, und
sie so zu erleben«, sie schüttelte den Kopf, »war sehr, sehr schwierig. Aber
Percy ...« Saffys Blick wanderte zu einer Stelle über meinem Kopf, als könnte
sie dort die passenden Worte finden, »Percy war danach in so einer düsteren
Stimmung. Sie war schon seit einer Weile sehr launisch - meine Zwillingsschwester
gehörte zu den Frauen, die sich im Krieg nützlich gemacht haben, und als keine
Bomben mehr fielen, als Hitler in Russland einmarschierte, war sie geradezu
enttäuscht, aber nach jenem Abend war es anders. Es hat sie persönlich getroffen,
dass der junge Mann Juniper hat sitzen lassen.«
Das war
allerdings eine unerwartete Wendung. »Aber warum denn das?«
»Es war
merkwürdig, fast als fühlte sie sich irgendwie verantwortlich. Aber das war ja
Unsinn, und sie hätte nichts tun können, um den Dingen eine andere Wendung zu
geben. Aber so ist Percy nun mal, sie hat sich Vorwürfe gemacht, wie sie das
immer tut. Einer von uns ging es schlecht, und sie konnte nichts dagegen tun.«
Sie seufzte und faltete ihr Taschentuch, bis es ein ordentliches kleines
Dreieck bildete. »Und deshalb erzähle ich Ihnen das alles, auch wenn ich
fürchte, dass es ein großer Fehler ist. Sie sollen wissen, dass Percy ein
guter Mensch ist und dass sie, auch wenn sie manchmal einen anderen Eindruck
macht, ein großes Herz hat.«
Offenbar
legte Saffy großen Wert darauf, dass ich nichts Schlechtes über ihre
Zwillingsschwester dachte, daher erwiderte ich ihr Lächeln. Aber sie hatte
recht, es gab da etwas, das keinen Sinn ergab. »Warum«, fragte ich daher,
»warum sollte sich Percy verantwortlich gefühlt haben? Kannte sie den Mann
denn? War sie ihm schon einmal begegnet?«
»Nein.«
Sie sah mich fragend an. »Er wohnte in London, wo er Juniper kennengelernt hat.
Percy war seit Kriegsbeginn nicht mehr in London gewesen.«
Ich nickte,
aber ich musste auch an das Tagebuch meiner Mutter denken, in dem sie erwähnte,
dass ihr Lehrer Thomas Cavill sie im September 1939 in Milderhurst besucht hatte. An dem Tag hatte Juniper
Blythe den Mann kennengelernt, in den sie sich später verlieben sollte. Percy
war
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