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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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langjähriger Beziehung mit der Haushälterin berichtete?
    Aber was
kümmerte das Percy überhaupt? Loyalität gegenüber ihrer Mutter konnte nicht
der Grund sein, schließlich hatte Raymond Blythe mehr als einmal geheiratet,
und Percy waren solche Wirrungen des menschlichen Herzens bestimmt nicht
unbekannt. Und selbst wenn Mrs. Bird recht damit hatte, dass Percy einfach
altmodisch und gegen die Vermischung der Klassen war, konnte ich mir keinen
Reim darauf machen, warum sie das alles noch nach Jahrzehnten derart
beschäftigen sollte, zumal inzwischen so vieles geschehen war, das das Leben
der Schwestern verändert hatte. Konnte eine mehrere Jahrzehnte zurückliegende
Affäre ihres Vaters mit seiner Haushälterin tatsächlich ein solches Drama für
sie darstellen, dass sie bis heute keine Mühen scheute, diese Episode vor der
Öffentlichkeit geheim zu halten? Das schien mir unwahrscheinlich. Ob Percy
Blythe nun altmodisch war oder nicht, tat eigentlich nichts zur Sache: Sie war
in erster Linie pragmatisch veranlagt und, soweit ich es beurteilen konnte,
durch und durch realistisch. Wenn sie Geheimnisse für sich behielt, dann nicht
aus moralischen Erwägungen oder Prüderie.
    »Außerdem«,
sagte Mrs. Bird, die meine Zweifel zu spüren schien, »habe ich mich schon
manches Mal gefragt, ob vielleicht ... nicht dass meine Mutter so etwas
angedeutet hätte, aber ...« Sie schüttelte den Kopf und machte eine wegwerfende
Handbewegung. »Nein, das ist dummes Zeug.«
    Sie
presste die Hände an die Brust, wirkte verlegen, und ich brauchte einen Moment,
bis ich begriff, was in ihr vorging. Vorsichtig nahm ich den heiklen Gedanken
auf und sagte: »Sie glauben, er könnte Ihr Vater sein?«
    Ihr Blick
sagte mir, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. »Meine Mutter hat dieses Haus
geliebt, das Schloss, die Familie Blythe. Sie hat manchmal auch vom alten Mr.
Blythe gesprochen, wie klug er war und wie stolz sie darauf war, bei so einem
berühmten Schriftsteller in Stellung gewesen zu sein. Andererseits hat sie
sich auch merkwürdig verhalten. Sie wollte nie am Schloss vorbeifahren, wenn es
sich irgendwie vermeiden ließ. Beim Erzählen brach sie manchmal mittendrin ab,
dann war kein Wort mehr aus ihr herauszukriegen, und ihre Augen waren
plötzlich ganz traurig und wehmütig.«
    Es würde
jedenfalls einiges erklären. Percy Blythe hätte vielleicht kein Problem damit
gehabt, wenn ihr Vater einfach nur eine Affäre mit seiner Haushälterin gehabt
hätte, aber mit ihr ein Kind in die Welt zu setzen? Eine jüngere Tochter, eine
weitere Halbschwester für seine Töchter? Wenn dem wirklich so war, hätte das
natürlich Konsequenzen, die nichts mit Prüderie oder Moral zu tun hatten,
Konsequenzen, die zu vermeiden Percy Blythe, Hüterin des Schlosses und des
Familienerbes, alles tun würde.
    Und
dennoch: Während mir all diese Dinge durch den Kopf gingen, als ich die
verschiedenen Möglichkeiten und die durchaus materiellen Folgen in Erwägung
zog, gelangte ich zu der Überzeugung, dass irgendetwas an Mrs. Birds Geschichte
nicht stimmen konnte. Ich hätte nicht sagen können, was es war. Vielleicht war
es nur eine sonderbare Art von Loyalität, die ich gegenüber Percy Blythe empfand,
gegenüber der verschworenen Gemeinschaft auf dem Hügel. Vielleicht wollte ich
nur nicht wahrhaben, dass ihre Dreizahl erhöht werden musste.
    Die Uhr
auf dem Kaminsims wählte diesen Moment, die volle Stunde zu verkünden, und es
war, als würde ein Bann gebrochen. Mrs. Bird, die erleichtert wirkte, nachdem
sie ihre Bürde mit mir geteilt hatte, begann, Salz- und Pfefferstreuer von den Tischen
einzusammeln. »Die Sachen räumen sich leider nicht von selbst auf«, sagte sie.
»Zwar gebe ich die Hoffnung nicht auf, aber bisher hat sie sich nicht erfüllt.«
    Ich stand
ebenfalls auf und nahm die leeren Gläser vom Tisch.
    Mrs. Bird
lächelte mich an. »Eltern halten einem so manche Überraschung bereit, nicht
wahr? Aber sie haben immerhin schon allerhand erlebt, bevor wir geboren
werden.«
    »Ja,
unerhört«, sagte ich. »Führen einfach ihr eigenes Leben, ohne uns.«
     
    Der Abend, an dem er nicht kam
     
    Am ersten
Tag meiner offiziellen Gespräche mit den Schwestern brach ich schon früh zum
Schloss auf. Der Himmel war grau. Der Regen vom Abend zuvor hatte zwar
aufgehört, doch er schien alle Farben aus der Landschaft herausgewaschen zu
haben. Eine scharfe Kälte lag in der Luft. Ich vergrub meine Hände tief in den
Jackentaschen und verfluchte mich

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