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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Tür zu klopfen -, als ein gewaltiger
Donnerschlag sein Vorhaben zunichtemachte. Er eilte weiter, den Blick auf den
Hügel gerichtet, wo sich das Schloss befinden musste.
    Als er
näher kam, bemerkte er etwas, das sich schwach von der Dunkelheit abhob. Er
runzelte die Stirn, blinzelte; nein, er hatte es sich nicht eingebildet. Ein
winziger goldener Lichtschein, ein beleuchteter Spalt in der Festungsmauer. Er
stellte sich vor, dass das Juniper war, die auf ihn wartete, wie die Nixe im
Märchen, die ihrem Liebsten in stürmischen Nächten mit einer Laterne leuchtete,
damit er sicher in den Hafen fand. Entschlossen schritt er weiter aus.
     
    Während
Percy und Tom durch den Regen stapfen, ist im Innern von Schloss Milderhurst
alles still. Hoch oben im Dachzimmer liegt Juniper in düsteren Träumen; unten
im guten Zimmer lehnt sich Saffy, müde vom Schreiben, auf der Chaiselongue
zurück, kurz davor, vom Schlaf übermannt zu werden. Hinter ihr prasselt das
Kaminfeuer; vor ihr öffnet sich eine Tür zu einem Picknick am See. Ein
perfekter Tag im späten Frühjahr 1922, wärmer
vielleicht als erwartet, der Himmel so blau wie feines venezianisches Glas. Man
hat sich im See erfrischt und ruht jetzt auf Decken, trinkt Cocktails und isst
leckere Sandwiches.
    Ein paar
junge Leute setzen sich von den anderen ab, und die träumende Saffy folgt
ihnen; sie beobachtet das junge Paar ganz hinten, einen Jungen namens Matthew
und ein hübsches sechzehnjähriges Mädchen namens Seraphina. Sie kennen sich
seit ihrer Kindheit, er ist ein Freund ihrer seltsamen Vettern aus dem Norden
und wird daher von ihrem Vater im Familienkreis akzeptiert. Viele Sommer sind
sie gemeinsam durch Wiesen und Felder gejagt, haben Generationen von Forellen
im Bach gefangen und mit großen Augen an den jährlichen Erntefeuern gesessen.
Aber jetzt ist irgendetwas zwischen ihnen anders. Diesmal bringt sie in seiner
Gegenwart kein Wort heraus; schon mehrmals hat sie bemerkt, dass er sie
beobachtet mit einem Blick, der ihre Wangen zum Glühen bringt. Sie haben nicht
mehr als drei Worte gewechselt, seit er eingetroffen ist.
    Die
Gruppe, der das Paar folgt, hat einen Platz gefunden, Decken werden nachlässig
auf dem Boden ausgebreitet, eine Ukulele wird hervorgeholt, es wird geraucht
und gescherzt; die beiden halten sich am Rande des Geschehens. Sie reden nicht
miteinander und sehen sich nicht an. Sie setzen sich auf den Boden, tun so, als
würden sie den Himmel betrachten, Vögel beobachten und das Spiel der Sonnenstrahlen
auf den Blättern bestaunen, während sie in Wirklichkeit nur an die kleine Lücke
zwischen ihrem Knie und seinem Schenkel denken können. An die elektrische
Spannung, die die Lücke füllt, während der Wind flüstert, Blätter zu Boden
taumeln und ein Star sein Lied erklingen lässt.
    Sie stöhnt
leise auf. Hält sich die Hand vor den Mund, damit niemand etwas merkt.
    Seine
Fingerspitzen berühren ihre Hand. So leicht, dass sie es vielleicht gar nicht
gespürt hätte, wenn ihre Aufmerksamkeit nicht mit mathematischer Präzision auf
jeden Millimeter Entfernung zwischen ihnen gerichtet wäre, auf seine atemberaubende
Nähe ... In diesem Moment verschmilzt die Träumende mit ihrem jugendlichen
Selbst. Sie sieht die Liebenden nicht mehr aus der Distanz, sondern sitzt
selbst auf der Decke, die Beine über Kreuz, hinten auf den Arm gestützt, mit
klopfendem Herzen und der unbekümmerten Freude und Erwartung eines jungen
Mädchens.
    Saffy
traut sich nicht, Matthew anzusehen. Sie wendet den Blick schnell den anderen
zu, ist überrascht, dass offenbar niemand bemerkt hat, dass ihre Welt sich um
hundertachtzig Grad gedreht und völlig verändert hat, während um sie herum
alles so geblieben ist, wie es war.
    Sie lässt
den Blick an ihrem Arm hinunterwandern, über ihr Handgelenk zu ihrer Hand, auf
die sie sich stützt. Da. Seine Fingerspitzen. Seine Haut auf ihrer.
    Sie nimmt
all ihren Mut zusammen und lässt den Blick weiterwandern, über die Brücke, die
er zwischen ihnen gebaut hat, zu seiner Hand, über sein Handgelenk seinen Arm
hinauf, und sie weiß, gleich werden sich ihre Blicke begegnen. Aber plötzlich
wird ihre Aufmerksamkeit abgelenkt. Von etwas Düsterem auf dem Hügel hinter
ihnen.
    Ihr Vater,
ewig um sie besorgt, ist ihnen gefolgt und beobachtet sie von seinem
Aussichtspunkt aus. Sie spürt seine Augen auf sich, weiß, dass er sie im Blick
hat, weiß, dass er mit angesehen hat, wie Matthews Finger sich zu ihrer Hand
bewegt haben. Sie

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