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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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düsteren Ort gefangen hielt und sie
schwach und hilflos machte wie ein Kind.
    »Komm«,
sagte er noch einmal und hielt ihr die Hand hin. »Komm.« Er hatte es so
zärtlich gesagt, dass sie sechzehn Jahre später immer noch ein wohliger
Schauder überlief.
    Sie hatte
ihn unwillkürlich angelächelt, obwohl sie wusste, dass sie auf einer steilen
Klippe stand, unter ihr das tosende, dunkle Wasser, während der Mann, den sie
liebte, sie beschwor, sich von ihm retten zu lassen, ohne zu ahnen, dass sie
nicht zu retten war, dass sein Konkurrent so viel stärker war als er.
    »Du hast
recht«, sagte sie, sprang von der Klippe, weg von ihm: »Es ist wohl für uns
beide das Beste, wenn wir einander freigeben.«
    Sie hatte
Matthew nie wiedergesehen, und ihre Kusine Emily ebenso wenig, die nur auf ihre
Chance gewartet hatte, die immer das begehrte, was Saffy sich wünschte ...
    Es war nur
ein Baumstamm. Ein Stück Treibholz, das von der Strömung des schnell
anschwellenden Bachs mitgerissen worden war. Percy zog den Stamm an den Rand
der Zufahrt, fluchte über das Gewicht, während sich ihr ein Ast in die
Schulter bohrte, wusste nicht, ob sie verärgert oder erleichtert darüber sein
sollte, dass sie die Suche jetzt fortsetzen musste. Sie war schon im Begriff,
weiter in Richtung Straße zu gehen, als etwas sie innehalten ließ. Eine
seltsame Vorahnung. Ein mulmiges Gefühl. Unentschlossen blieb sie im Regen
stehen, schaute zurück, zu dem verdunkelten Schloss hinauf.
    Zu dem
nicht vollständig verdunkelten Schloss.
    Ein
Lichtschein, klein, aber hell, hinter einem der Fenster. Im guten Zimmer.
    Der
verfluchte Fensterladen. Hätte sie ihn doch bloß ordentlich repariert.
    Es war der
Fensterladen, der sie zu einer Entscheidung bewog. Das Letzte, was sie heute
Abend gebrauchen konnten, war Mr. Potts mit seiner Heimatschutztruppe.
    Mit einem
letzten Blick zur Tenterden Road machte Percy kehrt und eilte zum Schloss.
     
    Der Bus
hielt am Straßenrand, und Tom stieg aus. Augenblicklich machte der strömende
Regen seinen Blumen, die sich bis dahin so tapfer gehalten hatten, endgültig
den Garaus. Einen Moment lang überlegte er, ob zerfledderte Blumen besser wären
als keine, dann warf er sie kurzerhand in den Straßengraben, der zu einem
reißenden Bach angeschwollen war. Ein guter Soldat wusste, wann er den Rückzug
anzutreten hatte, und schließlich hatte er ja noch die Marmelade.
    Durch den
dichten Regen entdeckte er ein eisernes Tor und tastete nach dem Griff, um es
zu öffnen. Als es unter seinem Gewicht kreischend nachgab, hob er den Blick zum
tiefschwarzen Himmel, schloss die Augen und ließ sich die Regentropfen über
die Wangen laufen. So ein Hundewetter! Ohne Regenmantel oder Schirm war er den
Elementen schutzlos ausgeliefert. Er kam zu spät, er war völlig durchnässt,
aber er war da.
    Er schloss
das Tor hinter sich, warf den Seesack über die Schulter und ging die Zufahrt
hoch. Gott, war das finster. Verdunkelung in London war eine Sache, aber hier
auf dem Land, wo das Mistwetter auch noch die Sterne abgeschaltet hatte, war
ihm, als würde er durch Pech waten. Zu seiner Rechten sah er eine hoch
aufragende schwarze Masse, noch dunkler als die Umgebung, das musste der
Cardarker-Wald sein. In dem Sturm schienen die Baumwipfel die Zähne zu
fletschen. Mit einem Schauder wandte er sich ab und dachte lieber an Juniper,
die im warmen, trockenen Schloss auf ihn wartete.
    Mit nassen
Füßen stapfte er weiter, folgte einer Biegung, überquerte eine Brücke, unter
der ein reißender Bach floss, und immer noch wand sich der Weg weiter den Hügel
hinauf.
    Als ein
Blitz den Himmel zerriss, blieb er staunend stehen. Ein grandioser Anblick. Die
Welt war in silbrig-weißes Licht getaucht - heftig wogende Bäume, das bleiche
Gemäuer eines Schlosses auf dem Hügel, der Weg, der sich durch zitternde Felder
schlängelte, um dann wieder mit der Dunkelheit zu verschmelzen. In der grell
beleuchteten Szenerie, die er wie ein Fotonegativ vor Augen hatte, war Tom
aufgefallen, dass er nicht allein in der regnerischen Nacht unterwegs war. Eine
schmale männliche Gestalt ging vor ihm den Weg hinauf.
    Tom fragte
sich, wen es wohl außer ihm in einer solchen Nacht aus dem Haus trieb;
vielleicht wurde ja noch ein Gast im Schloss erwartet, der ebenfalls zu so
später Stunde eintraf, weil er aufgehalten worden war. Der Gedanke hob seine
Stimmung, und er wollte schon rufen - es war doch bestimmt besser, gemeinsam
mit einem verspäteten Gefährten an die

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