Morton Rhu - Leben und Werk
versuchen, die Ursachen zu bekämpfen, so wie ich es vorhin erwähnt habe. Das Problem ist unter anderem deshalb heute so gravierend, weil sich die Jungen nicht mehr wie früher prügeln, sondern erschießen. Und die Waffen werden immer wirksamer, also schrecklicher.
Nicola Bardola: Dustin, der Junge, der am Ende Brendan überrumpelt und dabei vielleicht ein Blutbad verhindert, hatte nie zuvor eine Schusswaffe in der Hand. Und auch bei dieser Aktion braucht er keine. Welches Verhältnis haben Sie zu Schusswaffen? Sind Sie selbst politisch aktiv?
Morton Rhue: Ein Teil des Erlöses aller verkauften Bücher kommt der aktivsten Organisation in den USA zugute, die sich für eine verstärkte Kontrolle des Vertriebs von Schusswaffen einsetzt. Ich halte auch Vorträge und werde mich weiterhin für die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt engagieren.
Vorlage für Film und Theater
»Ich knall euch ab!« hat (noch) keine so weite mediale und künstlerische Verbreitung gefunden wie »Die Welle«, aber auch dieser Roman schickt sich an, Vorlage für zahlreiche Verwertungsformen zu werden. Die Verfilmung stand in den USA viele Jahre lang auf der Tagesordnung.
In einem Interview in den Unterrichtsmaterialien zu »Ich knall euch ab!« betont Morton Rhue die Parallelen zwischen »Die Welle« und »Ich knall euch ab!«: »Beide Bücher basieren auf tatsächlichen Zwischenfällen, die sich an Schulen ereigneten. Wenn man ein wenig nachdenkt, erkennt man weitere Parallelen – beispielsweise, dass sich die Lage unter einer großen Menge von Schülern an einem fest umgrenzten Schauplatz bei verschlossenen Türen zuspitzt. ›Die Welle‹ hatte auch mit ›peer pressure‹ – Konformitätsdruck unter Gleichaltrigen – sowie mit Hass, Vorurteilen und Machtausübung zu tun.« Dieses Statement Rhues zeigt, wie verwandt die beiden Romane sind und wie geeignet für eine Verfilmung, die auch in ein deutsches Produktionsbudget passt – nicht zuletzt dank der »umgrenzten Schauplätze«. Am Ende dieses Gesprächs sagt Morton Rhue: »Die gute Nachricht ist, dass Teens inzwischen zunehmend aufmerksam das Verhalten ihrer Mitschüler beobachten und einige brutale Zwischenfälle so verhindert werden konnten. Diese ›offenen Augen‹ lassen auf eine hoffnungsvolle und positive Entwicklung hoffen.«
In Deutschland wagte sich lange kein Filmproduzent an den Stoff. Erst 2011 meldete Dennis Gansel öffentlich Interesse an. Morton Rhue traut dem deutschen Regisseur zu, den Roman gewissenhaft zu inszenieren, vor allen Dingen im Hinblick auf potenzielle Nachahmungstäter. Das ist aus Sicht des Autors der heikelste Punkt bei einer filmischen Adaption. Die Sorgen Morton Rhues hängen unter anderem mit einem Bombenattentat zusammen, das ein Siebzehnjähriger im Mai 2009 in New York City verübte. Ziel des Anschlags war eine Starbucks-Filiale. Die Polizei fand heraus, dass sich der Täter durch den Film »Fight Club« (freigegeben ab achtzehn Jahren) mit Brad Pitt in einer der Hauptrollen anregen ließ. In diesem Kultfilm von 1999 wird erzählt, wie aus dem anfänglich noch relativ harmlosen Nervenkitzel, den eine Schlägerei hervorrufen kann, allmählich ein Geheimbund entsteht, der das »Projekt Chaos« verfolgt und Angriffe auf die öffentliche Ordnung ausführt, um letztlich landesweit die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen zu zerstören. Anarchie und Nihilismus münden in Gewalt. Der siebzehnjährige Bombenleger wollte sein eigenes »Projekt Chaos« verwirklichen. Bei seiner Festnahme fand man bei ihm die »Fight Club«- DVD und einen Artikel, der von seinem Anschlag auf Starbucks berichtete. »Das Problem ist, dass vor der Verfilmung ›Fight Club‹ ein Buch war«, schreibt Morton Rhue auf seiner Webseite. Chuck Palahniuk hatte seinen Debütroman »Fight Club« 1996 veröffentlicht. Und das beunruhigt Morton Rhue. Er glaubt nicht, dass von seinem Roman »Ich knall euch ab!« Gefahr ausgeht, und die vergangenen zehn Jahre seit Erscheinen bestätigen diese Annahme. Aber Rhue stuft die Gefahr der Nachahmung, die von bewegten Bildern ausgeht, dennoch höher ein.
»Die Welle« in der Interpretation Gansels war als Kinofilm und ist als DVD immer noch ein großer Erfolg, und dementsprechend hoch sind die Erwartungen an »Ich knall euch ab!« Als ich mit Gansel sprach, sagte er mir: »Seit dem Amoklauf in Erfurt 2002 denke ich daran, diesen Stoff zu verfilmen. Allerdings sind die psychologischen Abläufe hochkomplex. Es ist auch nicht einfach,
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