Morton Rhu - Leben und Werk
Freund Terrell, was er gesehen hat. Terrell, der Marcus wie einen Vater verehrt hat, dreht durch und erschießt Jamar.
Bevor die Lage völlig außer Kontrolle geraten kann, bestimmt die Gang Kalon zum neuen Anführer. Ein befreundeter Polizist unterhält sich mit ihm darüber, dass sich niemand für die vielen Morde an erwachsenen Gangmitgliedern zu interessieren scheint.
»Ja, Kalon. Mütter, kleine Kinder, darüber wird im Fernsehen berichtet. Und dann reagieren auch alle mit Empörung (…), aber nur so lange, bis irgendetwas anderes Schlagzeilen macht. Die Menschen können sich nicht lange auf eine Sache konzentrieren. Da braucht nur ein Hurrikan zu kommen (…) und schon haben sie alles vergessen, was sie kurz zuvor noch beschäftigt hat. Besonders wenn es um Ghettos wie Douglass geht. All diese jungen Mädchen, die schon zwei oder drei Kinder von verschiedenen Vätern haben. All diese vaterlosen Jungs, die sich gegenseitig umbringen. Die Leute sagen, das ist eine Schande, aber keiner weiß, was man dagegen tun könnte. Also tun sie lieber so, als ob es das Problem gar nicht geben würde.«
»Wenn Sie das glauben, warum sind Sie dann Polizist geworden?«, fragte ich.
»Weil ich abends mit der Gewissheit einschlafen möchte, dass ich, wenn ich schon nichts ändern kann, wenigstens auf der richtigen Seite stehe. Wie schläfst du denn so in letzter Zeit, Kalon?«
Für Kalon ist es jetzt zu spät auszusteigen, denn als Boss trägt er Verantwortung für das ganze Viertel. Morton Rhue hat bis zu diesem Punkt all die kleinen Verkettungen und Folgereaktionen aufgezeigt, durch die Kalon schließlich zum Ganganführer wird. Das war nie sein großer Traum – im Gegenteil. Aber die durch unglücklich zusammenwirkende Ereignisse hervorgerufene Verschlechterung der finanziellen Situation seiner Familie, seine Liebe zu Tanisha und die Morde an Marcus und Jamar bringen Kalon in eine Situation, in der er eigentlich niemals sein wollte. Als erste »Amtshandlung« schließt er Frieden mit den Gentry-Gangstas. Die beiden Gangs werden unter der Führung des Gentry-Bosses Rance vereint. Kalon ist für das Gebiet der Disciples verantwortlich.
Tanisha bekommt ein Kind von ihm, Simon. Kalon kauft sich einen BMW und eine Rolex. Aber das Glück währt nur kurz. Es gibt neue Intrigen innerhalb der Gang und Kalon sieht sich gezwungen, Rance zu töten. Mit siebzehn ist er jetzt der unangefochtene Gangsterboss. Im letzten Kapitel erfahren wir vom inzwischen achtundzwanzig Jahre alten Kalon, wie seine Geschichte weiterging. Vier Monate nachdem er Rance erschossen hatte, wurde er verhaftet und wegen Mordes, organisierter Erpressung, Geldwäsche und Drogenhandels zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Obwohl Kalon kein Wort der Reue wegen seiner Taten verliert, vermisst er das Leben in Freiheit.
Niemals mehr werde ich Gelegenheit haben, mit Simon zu spielen. Niemals mehr werde ich die Haut Tanishas oder einer anderen Frau berühren. Niemals mehr werde ich ein Steak oder knusprige Pommes essen oder einen Milchshake trinken. Im Vergleich zu meinem Leben hier war Frederick Douglass das reinste Paradies.
Laut Statistik sind dreizehn Prozent der amerikanischen Gesamtbevölkerung Schwarze, in den Gefängnissen aber sind es fünfzig Prozent, berichtet Kalon im Schlusskapitel von »Ghetto Kidz«.
Barack Obama wird als erster schwarzer Präsident in die Geschichte eingehen, doch die USA sind nach wie vor weit entfernt von einer Chancengleichheit zwischen Menschen verschiedener Hautfarbe. Rassismus spielt dabei nicht die entscheidende Rolle, sondern eher finanzielle Stärke. Und da Weiße mit großem Abstand am meisten verdienen, sind es häufig die Schwarzen, die Mexikaner und die Asiaten, die zurückbleiben und in die Kriminalität abrutschen.
Auch wenn wir in Deutschland keine so drastischen Probleme haben wie in den USA , ist auch bei uns zu beobachten, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufklappt. Was mit Menschen passiert, die sich von der Gesellschaft im Stich gelassen fühlen, das lässt sich in »Ghetto Kidz« nachlesen.
Die Buchbesprechung der FAZ vom 14. Februar 2009 endet mit den treffenden Worten: »In Erinnerung an Dr. Martin Luther King ist das Buch geschrieben. Von dem ist derzeit wieder viel die Rede. ›Die Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen manifestiert sich nicht nur durch die schrecklichen Taten der Bösen, sondern auch durch die lähmende Tatenlosigkeit der Guten‹, könnte man
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