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Morton Rhu - Leben und Werk

Morton Rhu - Leben und Werk

Titel: Morton Rhu - Leben und Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Bardola
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gezeigt, wie in den USA nach wie vor Jugendliche gegen ihren Willen, aber auf Wunsch ihrer Eltern in Boot Camps verschleppt werden.
    Ghetto Kidz – Von der Unmenschlichkeit des Menschen
    Das Geschrei draußen begann beim Abendessen. Wir saßen im Wohnzimmer auf dem Sofa, aßen Käsemakkaroni und sahen uns Judge Joe Brown im Fernsehen an. Das Zischen und Rattern der Heizungsrohre mischte sich mit dem lauten Gekreische vor dem Haus zu einem Höllenlärm.
    »Kalon, mach bitte lauter«, sagte Gramma.
    Ich stellte meinen Teller auf dem Sofa ab, nahm die Fernbedienung und drückte auf den Lautstärkeknopf. Heute Abend war ich mit Gramma allein. Meine ältere Schwester Nia war mit ihrem Freund Denzel ausgegangen. Der Lärm draußen wurde schlimmer, als eine schrille Polizeisirene dazukam.
    Gramma zuckte zusammen und legte die Gabel hin. »Hier verliert man noch mal den Verstand.«
    Was auch immer da unten los war, mich machte es jedenfalls neugierig, und ich warf einen schnellen Blick zu den dicken grünen Vorhängen vor dem Fenster. Seit einige Gangbanger in die Wohnung am Ende unseres Flurs geballert hatten, hielt Gramma die Vorhänge immer fest geschlossen.
    »We’ve been spending most of our lives living in a gangsta’s paradise«
    Dies ist die Zueignung in Morton Rhues 2008 erschienenem Roman »Ghetto Kidz«.
    Es ist der Refrain des berühmten Rap-Songs »Gangsta’s paradise« aus dem Jahr 1995.
    Beim Hören spürt man den Zorn und die echte Verzweiflung, die die Bewohner US -amerikanischer Ghettos, vorwiegend Farbige, jeden Tag aufs Neue erleben.
    Es war eine Lesung vor Schülern einer Brennpunktschule, die den Autor motivierte, »Ghetto Kidz« zu schreiben: »Ich habe in einer Schule in einem Schwarzenghetto in New York City gelesen und gesehen, wie schrecklich dort alles war. Die Kinder hatten überhaupt nicht das geringste Interesse daran, etwas zu lernen! Dieses Erlebnis inspirierte mich, ›Ghetto Kidz‹ zu schreiben.«
    »If I grow up« lautet der Originaltitel, und er spricht in seiner Doppeldeutigkeit jugendliche Leser an: Einmal ist da die im Ghetto begründete Angst, tatsächlich niemals die Volljährigkeit zu erreichen – schließlich gibt es täglich Schießereien. Zum anderen ist da die Angst, die jeden Heranwachsenden von Zeit zu Zeit überfällt: »Werde ich jemals erwachsen? Schaffe ich es, irgendwann Verantwortung zu übernehmen? Für mich, vielleicht sogar für andere?« Der Titel übermittelt einmal mehr die Botschaft, die Morton Rhue all seinen Jugendbüchern, die sich mit schwierigen Themen befassen, mit auf den Weg gibt: Rhues Romanhelden mögen zwar auf den ersten Blick »ganz anders« wirken als die durchschnittlichen Leser seiner Bücher, die weder im Ghetto wohnen noch obdachlos sind oder einen Amoklauf planen, aber dem Autor gelingt es – wie hier bereits im Titel –, eine starke Verbindung zwischen den Lesern und Protagonisten herzustellen. Damit wird nicht nur das Leseerlebnis intensiviert, sondern auch das anschließende Nachdenken über den beschriebenen sozialen Missstand emotional unterlegt und damit verstärkt oder überhaupt erst ausgelöst.
    In »Ghetto Kidz« erzählt Rhue die Geschichte all der Millionen Menschen, die der amerikanische Staat jedes Jahr aufgibt. Die Leser lernen dabei den aufgeweckten zwölfjährigen Kalon kennen und begleiten ihn bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr. Im Epilog schließlich begegnen die Leser Kalon als achtundzwanzigjährigem Sträfling, der wohl den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen wird.
    Kalon lebt mit seiner Großmutter und seiner Schwester in der Frederick-Douglass-Hochhaussiedlung einer amerikanischen, nicht namentlich genannten Großstadt. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, die Mutter ist früh gestorben.
    Der Roman beginnt damit, dass ein Kleinkind aus einem der Fenster von Kalons Siedlung fällt, nein, geworfen wird. Das ist brisant. Denn Darnell war der Neffe von Marcus, dem Anführer der Douglass-Disciples. Wahrscheinlich wurde der Junge von den Gentry-Gangstas, einer gegnerischen Gang, umgebracht. Die Gangs konkurrieren um Kunden für ihren Umsatz mit Drogen, Prostituierten und Waffen. Marcus erscheint für Kalon und seine Freunde als der Inbegriff des Erfolgs. Er ist hart, in ihrer Wahrnehmung sogar gerecht, und hat all die Statussymbole, die einen Gangsterboss im Ghetto auszeichnen: einen schicken Mercedes, eine dicke Rolex und so viele Frauen, wie er möchte. Doch während Kalons bester Freund Terrell keinen

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