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Mosaik

Mosaik

Titel: Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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Er arbeitete (er arbeitete dauernd) an einem Raumschiffentwurf. Sein elektronischer Datenblock summte und klickte immer wieder, wodurch die Stille im Zimmer noch tiefer und umfassender wirkte. Außerdem bildeten diese leisen Geräusche einen seltsamen Kontrapunkt zum Ticken der Uhr. Kathryn hörte sie gern, denn sie bewiesen ihr, daß ihr Vater zugegen war. Sie schienen eine Art Verbindung zu ihm herzustellen. Manchmal dachte sie daran, daß es sich bei dem Summen und Klicken um einen privaten Code handelte, von dem allein sie selbst und ihr Vater wußten. Er diente dazu, ihr Nachrichten zu übermitteln, die niemand sonst verstand.
    »Daddy an Goldvogel. Geschätzte Ankunftszeit: in fünfzehn Minuten. Führe ein Rendezvousmanöver mit mir durch, und zwar in meinem Arbeitszimmer um sechzehn Uhr Bordzeit. Dies ist streng geheim. Daddy Ende.«
    Kathryn lächelte, als sie noch etwas tiefer unter den Schreibtisch rutschte. Vielleicht dauerte es nur noch fünfzehn Minuten, vielleicht auch länger. Aber wenn sie auch weiterhin still und geduldig blieb, so wurde sie belohnt: Dann konnte sie mit Daddy spielen; dann hatte sie ihn eine Zeitlang für sich. Dafür wäre Kathryn bereit gewesen, stundenlang unter dem Schreibtisch zu warten.
    Seit ihre Schwester ins Haus gekommen war, verbrachte sie selbst immer mehr Zeit im Arbeitszimmer. Von der Schwester war kaum mehr zu sehen als strampelnde Bewegungen unter einer weichen Decke, doch ihre Ankunft bewirkte grundlegende Veränderungen. Mama hatte jetzt viel weniger Zeit als früher.
    Gelegentlich ging sie leise singend umher, mit einem kleinen Bündel, das sie an die eine Schulter lehnte und dem sie vorsichtig auf den Rücken klopfte. Bisher hatte Kathryn nicht gehört, daß Mama der Schwester ihr Lied vorsang, aber sie kannte auch den Grund dafür: Mama und Daddy mußten erst noch einen Namen für die neue Präsenz finden. Kathryn hatte in diesem
    Zusammenhang ihre eigenen Vorstellungen, aber bisher hatte sie niemand gefragt.
    Daddys Beine neben ihr gerieten in Bewegung, und das
    vierjährige Mädchen setzte sich auf. Bedeutete es, daß er die Arbeit beendete? Schaltete er nun den Computer aus, um mit ihr zu spielen? Kathryn hielt den Atem an und wagte es nicht, sich von der Stelle zu rühren. Doch dann hörte sie wieder die typischen Geräusche und wußte, daß ihr Vater noch nicht fertig war.
    Sie lehnte sich zurück und dachte an die Spiele, bereitete sich in Gedanken darauf vor, um perfekt zu sein. Kathryn wollte ihren Daddy überraschen, indem sie heute alle Antworten wußte. Er sollte ihr das Haar zerzausen und sagen: »Das ist mein Goldvogel
    – wie klug du doch bist!«
    Die Aussicht, solche Worte von ihrem Vater zu hören, ließ Kathryns Herz schneller schlagen.
    Ganz ruhig blieb sie sitzen und wartete eine weitere halbe Stunde lang. Das wußte sie, weil die Standuhr alle fünfzehn Minuten schlug, und eine volle Stunde hatte viermal fünfzehn Minuten. Zwei davon bedeutete die Hälfte. Zu dieser Erkenntnis war sie im Alter von drei Jahren gelangt.
    Schließlich vernahm sie ein vertrautes Klicken und wußte, daß Daddy den Datenblock zugeklappt hatte. Erneut hielt sie den Atem an, denn manchmal benutzte ihr Vater einen anderen kleinen Computer. Doch dann wichen die Beine fort, und dafür gab es nur eine Erklärung: Er hatte die Arbeit tatsächlich beendet.
    Aufgeregt wartete sie noch etwas länger und hörte, wie Daddy so durchs Zimmer schritt, als sei er auf der Suche nach etwas.
    »Nein, hier nicht«, sagte er, und Kathryn lächelte. Einige Sekunden später, ein wenig verwundert: »Und da auch nicht.
    Hmm.«
    Kathryns Lächeln wuchs in die Breite, als sie dem ihr bekannten Ritual lauschte. »Ich könnte schwören, daß ich in diesem Zimmer einen kleinen Vogel gehört habe. Wo könnte er sein? Versteckt er sich vielleicht im Replikator?«
    Kathryn preßte sich beide Hände auf den Mund. Im Replikator!
    So eine dumme Idee – wie sollte sie sich dort verbergen? Sie mußte sich sehr beherrschen, um nicht zu lachen.
    »Oh, oh… vielleicht ist er ins Aquarium getaucht und hat es dort auf meine Fische abgesehen. Böser Vogel – laß bloß meine Fische in Ruhe!«
    Das Lachen kratzte in Kathryns Kehle. Sie versuchte auch weiterhin, es zurückzuhalten, doch ein leises Schnaufen fand den Weg zur Nase.
    »Was war das? Was habe ich da gerade gehört?« Die gespielt ernste Stimme kam immer näher. Kathryn rollte sich zu einem ganz kleinen Ball zusammen und versteckte das Gesicht

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