Mosaik
Verderb ausgeliefert.«
Janeway zögerte kurz. Die Einsatzgruppe befand sich noch auf dem Planeten. Sie wollte Tuvok und die anderen nicht im Stich lassen, aber wenn sie in der Umlaufbahn blieben, wurde die Voyager vielleicht zerstört – und dann saß die Landegruppe endgültig auf der fremden Welt fest.
»Janeway an Tuvok«, sagte sie, bekam jedoch keine Antwort.
»Das externe Kom-System ist ausgefallen, Captain«, meldete Rollins.
Wieder wurde das Schiff von einer heftigen Erschütterung erfaßt, und daraufhin beschloß Janeway, keine Zeit mehr zu verlieren. »Nehmen Sie Kurs auf den planetaren Nebel,
Lieutenant. Leiten Sie einen übergangslosen Warptransit ein.
Vielleicht gelingt es uns damit, die Kazon zu überraschen.«
»Ja, Ma’am.« Janeway sah ein dünnes Lächeln auf Paris’
Lippen und wußte: Er mochte es, einen Gegner mit seinem Navigationsgeschick auszutricksen. Bestimmt war ihm auch klar, daß sie Harry und die anderen nicht im Stich ließen, daß die Kommandantin alles versuchen würde, die Einsatzgruppe wieder an Bord zu holen. Sie mußten jetzt erst einmal ihre Wunden lecken und notwendige Reparaturen durchführen. Es war also eine vernünftige Entscheidung, zunächst im Nebel Schutz zu suchen.
Der plötzliche Warptransfer überraschte die Kazon tatsächlich.
Natürlich nahmen sie sofort die Verfolgung auf, aber die Voyager bekam einen Vorsprung von einigen Minuten und konnte den planetaren Nebel erreichen. Er bestand aus stellarer Materie, sie sich viele Millionen Kilometer weit erstreckte – ein perfektes Versteck. Bevor die Kazon begriffen, was geschah, verschwand das Föderationsschiff in der gewaltigen Masse aus Staub und Gas, die von Blicken ebensowenig durchdrungen werden konnte wie von Sondierungssignalen. Janeway sorgte dafür, daß sich Reparaturgruppen an die Arbeit machten, ließ sich vom Doktor über die Anzahl der Verletzten und ihren Zustand informieren.
Anschließend beriet sie sich mit den Brückenoffizieren. Ihr Plan war ganz einfach: Wenn das volle Funktionspotential der Voyager wiederhergestellt war, wollte sie zu dem Planeten zurückkehren, den Kazon irgendwie ein Schnippchen schlagen und die
Einsatzgruppe an Bord beamen.
Janeway lächelte unwillkürlich, als Chakotay sie aufforderte, in ihre Kabine zurückzukehren und zu schlafen. Es war für sie alle wichtig, Kraft zu sammeln, solange sich eine Gelegenheit dazu bot – die nächste Konfrontation mit den Kazon würde ihnen sicher eine Menge abverlangen. Trotzdem fand die
Kommandantin es seltsam, wie ein Kind zu Bett geschickt zu werden.
Wieder fand sie keine Ruhe. Sie versuchte es mit allen Methoden, die sie im Lauf der Jahre gelernt hatte, um Anfälle von Schlaflosigkeit zu überwinden: ein kühles, dunkles Zimmer, gleichmäßiges Atmen, Entspannungsübungen, Meditation, als letztes Mittel ein Glas warme Milch. Diesmal half nichts. Die Unruhe hinter Janeways Stirn blieb, und immer wieder schoben sich Gedanken an die Einsatzgruppe auf dem Planeten in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit. Sie mußte Tuvok und die anderen unbedingt zurückholen. Zum zweiten Mal in nur zwei Monaten bekam sie es mit einem solchen Problem zu tun. Seit dem unfreiwilligen Transfer zum Delta-Quadranten gerieten sie von einer kritischen Situation in die nächste. Für Janeway bedeutete das immer neue Herausforderungen, denen sie sich stellen mußte und die sie viel Energie kosteten. Wie oft war sie inzwischen auf die Probe gestellt und so sehr belastet worden, daß sie glaubte, es einfach nicht mehr ertragen zu können? Hörte es jemals auf? Kam irgendwann einmal ein Tag, an dem sie nicht ein unlösbares Problem aus der Welt schaffen oder eine große Gefahr von Schiff und Crew abwenden mußte? Manchmal fand sie die Vorstellung verlockend, einfach die Arme zu heben und zu kapitulieren, sich der Müdigkeit hinzugeben und einzugestehen, daß sie an ihre Grenzen gestoßen war. Sie hatte es satt, herausgefordert zu werden. Es stimulierte sie nicht mehr, so wie früher. Ganz im Gegenteil: Janeway glaubte nun, davon erdrückt zu werden. Sie wollte sich geborgen und geschützt fühlen, es jemand anderem überlassen, sich um alles zu kümmern…
Kapitel 2
Die vierjährige Kathryn hockte unter dem Schreibtisch ihres Vaters und lauschte dem regelmäßigen Ticken der alten Standuhr.
Sie achtete darauf, ganz still zu sein, denn ihr Vater mußte sich konzentrieren – und ein kleines Kind, das zu seinen Füßen zappelte, hätte ihn bestimmt abgelenkt.
Weitere Kostenlose Bücher