Mosaik
›Cardassianer‹. Wenn es um dieses Thema ging, klang er sehr besorgt.
Erst blieb Daddy tagelang in San Francisco, dann sogar wochenlang. Inzwischen hatte Kathryn ihn schon seit einem Monat nicht mehr gesehen. Aber heute abend kam er nach Hause.
Sie wollte ihm unbedingt zeigen, daß sie die Entfernungsformel ableiten konnte – um dann zu sehen, wie er voller Stolz auf sie strahlte.
Es war natürlich ganz einfach, den numerischen Wert der Entfernung zwischen zwei Punkten zu finden: Man brauchte den Handcomputer nur mit den kartesischen Koordinaten der beiden Punkte zu füttern, und schon gab er die Distanz zwischen ihnen an.
Weitaus schwerer war es, eine Formel zu finden, die sich bei jedem Koordinatenpaar anwenden ließ. Derartiges Denken erwartete Daddy von ihr. Kathryn betrachtete das Problem von allen Seiten, suchte immer wieder nach einer Lösung – ohne Erfolg. Und dann sah sie auf und stellte fest, wie spät es geworden war. Sie erreichte die Terrasse des Hauses, sprintete an ihrer überraschten Mutter und Phoebe vorbei. Bramble sprang sofort auf und folgte ihr durch die Tür und in den
Frühstücksraum, dann durch den Flur zu ihrem Zimmer. Sie riß die Tür auf, streifte die Kleidung ab und griff gleichzeitig nach der Uniform auf dem Bett. Die Hast machte sie ungelenk und unbeholfen; wütend stampfte sie mit dem Fuß und zischte verbotene Worte, die nur in Zeiten großer Anspannung
ausgesprochen werden durften. Die Hose anziehen, dann Hemd, Jacke und Schuhe. Sie warf einen Blick in den Spiegel und stellte fest, daß sie erschöpft und heruntergekommen aussah. Die Zeit genügte nicht mehr, um das Haar in Ordnung zu bringen. Sie zupfte an den rotbraunen Locken, doch sie fielen sofort wieder in sich zusammen; Schweiß sorgte dafür, daß sie am Kopf
festklebten.
Aus reiner Angewohnheit griff sie nach dem zylindrischen Behälter des Sonnenschutzmittels. Sie betätigte die Taste, die das kleine Gefäß öffnete…
Unmittelbar darauf schrie sie, als ein langes, schlangenartiges Etwas jäh aus dem Zylinder sprang. Erschrocken taumelte sie zurück, und tief in ihr krampfte sich etwas zusammen. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel, fing den Sturz schwerfällig mit einer Hand ab.
Und dann hörte sie, wie Phoebe kicherte.
Ihre achtjährige Schwester stand in der Tür, preßte sich beide Hände auf den Mund und gluckste. Kathryn starrte sie an, blickte dann zu dem Objekt, das aus dem Behälter gesprungen war. Es handelte sich um eine lange, bunte Kunststoffspule, die jemand zusammengepreßt und dann ins Gefäß mit dem
Sonnenschutzmittel gestopft hatte – Phoebe wußte, daß sie es bei jedem Spiel benutzte.
Sie sah wieder zu ihrer Schwester und versuchte vergeblich, einen Sinn in diesem dummen Streich zu erkennen.
»Das ist nicht lustig!« rief sie, wodurch Phoebe nur noch lauter kicherte.
Kathryn drehte sich um, griff nach ihrer Tasche, schob sich an ihrer Schwester vorbei und lief nach draußen zu ihrem Hoverrad.
Es blieben ihr nur noch wenige Minuten, um den Transporter der Schule zu erreichen. Sie war nervös, unvorbereitet und zornig.
Und in diesem Zustand mußte sie die Aufgaben des Kapitäns ihres Tennisteams wahrnehmen.
Kathryn und ihr Team rematerialisierten im Sportzentrum des Akademie-Instituts. Der Transporterraum war modern und makellos, wie alles im Institut: kühl, blaugrau, funktionell eingerichtet, ohne irgendwelche Verzierungen. Ein weiblicher Institutskadett bediente die Kontrollen der Konsole, und Kathryn hielt sie für ebenso herablassend wie alle anderen, die das Institut besuchten.
Sie hatte sich einen Platz dort gewünscht. In jedem Staat gab es eine solche Schule, die dazu diente, Bewerber für die Starfleet-Akademie auszuwählen, die besten Studenten nach San Francisco zu schicken. Kathryn hätte sich problemlos qualifizieren können, doch statt dessen wählten ihre Eltern die ›Wiesen‹ für sie und Phoebe. Sie meinten, das Ausbildungsspektrum des Instituts sei zu schmal für junge Leute, zogen deshalb die liberale, umfassendere Philosophie der ›Wiesen‹ vor. Dort kam es nicht nur auf das rein akademische Wissen an. Man legte auch auf die Entfaltung individueller Kreativität und den Sport großen Wert.
Das Ziel der ›Wiesen‹ bestand darin, die Schüler mit einer guten Allgemeinbildung auszustatten, sie nicht zu früh zu
spezialisieren.
Im Institut wäre Kathryn viel glücklicher gewesen. Dort hätte sie keine Zeit beim Klavier-, Ballett- und Kochunterricht
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